Das aktive Leben der LIFePo4 Zelle ?

  • Hallo nette Akku Gemeinschaft, ich bin schon lange in der Elektronik unterwegs und beschäftige mich seit vorigem Jahr auch mit dem Verhalten o.g. prismatischen Zellen (200AH steht auf den blauen Gehäusen). Der größte Schreck trat auf, als mein Multimeter eine Niederohmigkeit zwischen Gehäuse (hinter der Plastikfolie) und dem Pluspol diagnostizierte ( zwar einige Ohm aber sehr gefährlich bei der Gestaltung von Reihenschaltungen ( denke Toms Gummimatten passen da wie die Faust aufs Auge!). Zu meiner Frage : Die Zellen kommen mit einer Spannung von z.B. 3.29V was nach meinem "Schlaumachen" und Toms "Spannungsverlauf - Ladezustand" über 95% - geladen bedeutet.


    Bisher habe ich nichts gelesen, wie dieser Zustand bei der Produktion erreicht wird? Ist dort die 1. "normale" Ladung gelaufen und damit die Zelle in Betrieb gegangen?


    Gibt es vom Hersteller ( ich glaube, dass es CATL Zellen sein könnten) irgenwelche Anweisungen, wie die erste Entladung aussehen sollte (C- Werte), oder ob zuerst noch ein Laden bis zur Ladeschlußspannung erfolgen sollte, immer in Hinsicht darauf, daß es dem Akku im hoffentlich langen Leben gut tut?


    Bin gespannt auf Antworten - und wünsche immer Glück, daß keine Verpolungen vorkommen Liebe Grüße aus Thüringen Matthias

  • Hallo Matthias,


    da das Gehäuse aus Aluminium besteht, kann es immer leicht passieren, dass das Gehäuse mit einer Elektrode in Kontakt kommt. Allerdings sind mir bisher keine hierdurch entstandenen Probleme in Zellenverbünden bekannt geworden. Die blaue Kunststofffolie scheint sehr gut zu isolieren. Erstaunt war ich über den Hinweis der Firma CATL in einem Datenblatt großer prismatischer Zellen der 280/302Ah-Klasse, dass die angegebenen Werte zur Zellendicke unter einer seitlichen Presslast von 300kg Gültigkeit haben. So viel zu aufgeblähten Zellen und der Haltbarkeit der blauen Kunststofffolie. Weshalb ich dem Thema Zellenisolierung gegenüber dem Alubecher inzwischen recht entspannt gegenüber stehe. Ich gehe davon aus, dass zwar eine erhöhte Selbstentladerate durch mangelhafte Isolierung zwischen Zellen auftreten kann, aber von ernsten Problemen wie Kurzschlüssen durch beschädigte Isolierfolien habe ich noch nichts gehört. Gummimatten oder sonstige Isolierplatten beruhigen aber die Nerven. ;)


    Die Zellen werden während der Produktion geladen und einer künstlichen Alterung unterzogen. Wie die Hersteller das im einzelnen machen, dürfte wohl Betriebsgeheimnis der jeweiligen Hersteller sein. Lt. mir vorliegenden Herstelleraussagen sind LiFePO4-Zellen direkt nach Lieferung sofort voll belastbar und bedürfen keiner besonderen "Einfahrprozedur". Es ist auch schwierig, verschlissene LiFePO4-Zellen zu finden, die sich am Ende ihrer Lebensdauer befinden, ohne dass sie zuvor ausdrücklich misshandelt wurden. Deshalb nehme ich an, dass wir im Großen und Ganzen viel zu ängstlich mit ihnen umgehen. Immerhin sind schon 200Ah-Zellen ordentlich dicke Brummer, die einiges an Lade- und Entladestrom wegstecken, ohne gleich irgendwelche Wehwehchen zu zeigen. Kein Vergleich mit den 1 bis 5Ah LiPo-Zellen, die wir im Modellbau seit vielen Jahren verwenden. Dort wird hauptsächlich aus Sicherheits- und Gewichtsgründen auf ein BMS bei der Entladung im Modell verzichtet und die Flüge werden entweder nach der Uhr durchgeführt, oder erst dann beendet, wenn die Motorleistung erkennbar nachlässt. Dass dabei die schwächste Zelle schnell mal zu tief entladen wird, wird in Kauf genommen. Entsprechend kurz sind die Phasen hoher Leistungsfähigkeit, bzw. dauert es nur kurz, bis die Coffeebag-Lipos einen ordentlichen Innendruck aufbauen und rund werden wie Fußbälle. Die Lithium-Technik ist also gar nicht so empfindlich, wie viele glauben.


    Wenn ich Batterien aus Einzelzellen zusammenbaue, werden diese zunächst randvoll aufgeladen, um dann einen Kapazitätstest zu absolvieren. Aus Zeitgründen soll die Ladung dabei nicht unnötig lange dauern und wird bei 302Ah-Zellen meist mit gut 60A durchgeführt. Dann wird mit 15 bis 20A entladen und danach erneut mit 60A randvoll aufgeladen, Das hat sich bisher bewährt. Sofern die Zellen gut balanciert geliefert werden und sich auch bei Vollladung spannungsmäßig einigermaßen im Gleichschritt befinden, braucht man auch keine besonderen Vorkehrungen zu treffen. Problematisch ist es, wenn Batterien aus Zellen mit unterschiedlichen Ladezustanden hergestellt werden, weil dann der erforderliche Gleichlauf nur schwer und durch langwieriges Balancieren zu erreichen ist. In diesen Fällen empfiehlt sich eine Ladung von vier über dicke Kupferschienen verbundene Zellen mit einem leistungsstarken 3,65V-Ladegerät. Hier verwende ich Industrienetzteile, die so einen Viererpack mit gut 120A laden. Hierbei gleichen sich die vier Zellen sehr schnell einander an, so dass solche Zellensätze meist schon 12 Stunden später in Batterien verbaut werden können und dann einwandfrei synchron laufen.


    Schwierig bis nervtötend wird es immer dann, wenn man Akkulieferungen schlechter Qualität erwischt hat, also Zellen mit untereinander stark schwankenden technischen Daten wie Innenwiderstand, Kapazität und Selbstentladerate. Das Jahr 2021 wir in dieser Hinsicht leider ziemlich desaströs. Wenn man aus solchem Schrott gute Batterien bauen will, muss man wenigstens alle Zellen vermessen und dann in Qualitätsstufen selektieren. Das kostet aber so viel Zeit, macht so viel Arbeit und bringt letztlich doch keine 100%ig guten Ergebnisse, weshalb man von minderwertigen Zellen lieber gleich die Finger lassen sollte. Außer wenn man sie fast umsonst bekommt.


    Ansonsten gibt es aber wohl keine Geheimnisse bei der erstmaligen Behandlung von LiFePO4-Zellen, die zu besonders guten oder langlebigen Batterien führen. Da hatten wir bei den NiCd- und NiMH-Zellen der 90er Jahre doch noch einige Tricks mehr auf Lager, um Zellen zu ganz besonderen Höchstleistungen anzuspornen. 8)


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom, vielen Dank für Deinen umfangreichen Beitrag mit sehr vielen Einzelheiten, die ich genauso sehe ! Ich habe gerade 31 Zellen in Betrieb genommen, Lieferung aus vorigem Jahr. Mit aktiven Balancern (auf Kondensator Speicher Prinzip, 2A Ausgleichsströmen) bin ich total zufrieden - habe per App gesehen, daß eine Zelle aus der Rolle fällt - wie eine Zehnerdiode, die anderen behindert - aber sonst gar nicht so schlecht ist - dank der Super Kennlinien, die ich so in meiner langen Praxis nicht gesehen habe! Der "schlechten" Zelle, die bei 0.03C nicht über 3,3 V kommt, habe ich mit der "Super" Kunstlast "made in China" ca 125 Ah entnommen- etwa zwischen 3,25V und 3,05V und sicher ist damit kein Garantiefall gegeben.

    Die 31 anderen warten jetzt auf den nächsten Stromausfall - und hatten sogar einen praktischen 11h Test ( Wind vor 14Tagen - 20KV Einspeisung lag um - da haben wir nicht ganz alt ausgesehen.

    Von den 31 Stück ( die scheinbar so gut harmonieren - Ausgleich auf ca 5mV überhaupt kein Problem) werde ich sicher eine Zelle einer Kapazitätsmessung unterziehen um nochmal zu sehen, was vom aufgedruckten Wert zum realen Ergebnis (Ah) für Unterschiede existieren?? - 3dB ist scheinbar nicht viel in der existierenden Wirtschaft?? und man muß froh sein an solchen Inovationen teilnehmen zu können ( vor Jahren habe ich immer von preiswerten NICd Zellen geträumt.


    Jetzt ist die Frage wann die Pb- Akkuhersteller (Bleigehl) die Einzelzellen herausführen müssen ( Umweltschutz ) damit Bleigehlakkus durch aktiven Ladungs- ausgleich vielleicht die 3 fache Lebensdauer erreichen?? In den meisten Sicherheitsanwendungen werden diese totgeladen - nur die Industrie freut sich darüber. So beste Grüße Matthias

  • Bei Bleiakkus ist so ein Zellenausgleich im Grunde unnötig, weil sich die Bleiakkuzellen beim gezielten Überladen problemlos von selbst angleichen. Lithium-Akkus vertragen so ein Überladen nicht, weshalb man zum Zellenausgleich andere Mechanismen verwendet. Allerdings könnte man auch bei Bleibatterien ein BMS dafür einsetzen, um zu verhindern, dass bei Entleerung einzelner Zellen die Gesamtbatterie abgeschaltet wird. Die Dinger sterben nämlich oft daran, dass z.B. Starterbatterien gnadenlos niedergeorgelt werden, obwohl einzelne Zellen schon bei Null angekommen sind und dann natürlich prompt umgepolt, also mit umgekehrter Polarität geladen werden. Ein BMS würde das verhindern. Allerdings machen BMS Batterien kompliziert und störanfällig. Es ist nämlich ein großer Vorteil von Bleibatterien ganz ohne BMS auszukommen, weil sie dadurch im Alltag deutlich zuverlässiger arbeiten als Lithium-Batterien. Ganz besonders unter Grenzbedingungen, wo normale BMS dann eine Batterie kurzerhand abschalten, arbeiten Bleibatterien tapfer weiter, bis sie dann irgendwann kaputt sind.


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom,


    natürlich stimmt es , daß die Eigenschaften von beiden Akkusystemen total unterschiedlich sind.


    Mein Kommentar zu Pb Akkus gilt der Sonderanwendung von akkugepufferten Stromversorgungen, dabei den Bleigel Akkus ( diese sind ja z.B. hinüber, wenn keine Tiefentladungsabschaltung bei ca 11V für das normale 6 Zellen System vorgesehen wird ) . Diese Akkus bekommen eine "Erhaltungsladung" vom Netzgerät, das die Verbraucher permanent versorgt. Nur Beim "unwarscheinlichen" Stromausfall müssen die Akkus Arbeit leisten und haben das dann aber meistens schon nach einem Jahr verlernt ( unter- schiedliche Innenwiderstände der einzelnen Zellen) . Anwendungen: Alarmanlagen, USV für alle wichtigen12V Applikationen in der Netzwerk und PC Welt.


    Gerne würde ich den Nachweis für diese signifikante Gebrauchswerteröhung führen. Simpel wäre das in Zusammenarbeit mit dem Hersteller dieser Bleigelakkus.


    Ist das Gehäuse zu, kann man schlecht 5 dünne Drähte nachträglich anlöten. Eine gute Zeit Matthias

  • Meiner Erfahrung nach (wir brauchen seit 30 Jahren regelmäßig neue Batterien für die PC-USVs :rolleyes:) leiden Blei-USV-Batterien sehr schnell an zerfallenenen Plus-Elektroden durch Gitterkorrosion. Und die kommt von der erhöhten Dauerspannung von meist mehr als 2,25V/Zelle. Dagegen lässt sich durch Balancing aber auch nichts machen, man müsste die Spannung der Erhaltensladung schon signifikant vermindern. Nur blöd, dass dann prompt Sulfatierung droht. Also müsste man einen regelmäßigen Entlade/Ladezyklus einführen, nur würde der die Pufferbatterien eine Zeit lang so leeren, dass sie keinen Stromausfall mehr kompensieren könnten. Also bräuchte man wenigstens zwei voneinander unabhängige Batterien zur Versorgung der USV, nur treibt das die Kosten dann massiv nach oben. Weshalb man lieber regelmäßig die Batterien austauscht.


    Ich verwende z.B. für meinen Webserver, die Hardware-Firewall und die Fritzbox eine "USV" bestehend aus einer popeligen dreizelligen 2.2Ah-LiPo-Batterie, welche einfach der (12V-)Stromversorgung parallel geschaltet ist. Die verwendeten LiPos sind schon wenigstens 8 Jahre alt und wurden vormals dafür verwendet, um Segelflugmodelle oder Drohnen in die Luft zu hieven. Die Verwendung als USV Klappt prima und ist wegen der "Restverwertung" äußerst kostengüntig. Aber Du hast völlig recht: Man muss aufpassen, wenn aus irgendwelchen Gründen die 12V-Netzversorgung ausfällt, sei es nun durch einen Netzausfall, oder auch aus technischen Gründen, wenn mal ein Netzteil selbst ausfällt (was auch schon passiert ist). Denn dann wird der LiPo natürlich gnadenlos entladen und ist danach meistens schrottreif. Auch muss man bedenken, dass das Netzteil nach einem Stromausfall über mehrere Minuten nicht nur die Verbraucher versorgen muss, sondern auch einen überraschend hohen LiPo-Ladestrom schultern können muss, sonst kommt der ganze Laden trotz vorhandener Netzversorgung nicht wieder hoch (frag nicht woher ich das weiß... :P)


    Von der Verwendung von Bleiakkus sehe ich heute aber in praktisch allen Bereichen komplett ab, die Lithium-Technik ist einfach in jeder Hinsicht brutal besser. Einzig bei Starterbatterien und wenn die Ausfallsicherheit besonders wichtig ist, sind Bleiakkus weiterhin gut und nützlich. Denn bei Lithium-Batterien erhöht das BMS die Ausfallwahrscheinlichkeit einfach überraschend stark. Das merke ich immer an den verschiedenen Hilferufen meiner Kunden, wenn die mit einer leeren oder vom BMS abgeschalteten Batterie irgendwo in der Pampa stehen. Das gab es in dieser Form bei Bleiakkus nicht, außer wenn sie leer oder alt waren.


    Grüße, Tom

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