Wozu ein BMS benötigt wird, was ein Equalizer besser kann als ein passiver Balancer und wie man LiFePO4-Batterien parallel schaltet

  • Hallo Herr Rücker,


    aus Interesse an Energiespeicher bin ich auf ihre Seiten gestossen und fand einen Bausatz mit 12V/105Ah und allem Zubehör

    (Art-Nr.: 2341) inkl. BatterieManagementSystem.


    Was macht das BMS, wozu wird es benötigt und was kann der "Power-Equalizer" (Art-Nr.: 2250) was das BMS nicht kann ?


    Bedingen die Bauteile einander oder optimiert der Equalizer den Batteriesatz ?


    Könnten zwei Bausätze zwecks Ah-Verdoppelung parallel geschaltet werden ?


    Sind sämtliche Teile vorrätig ?


    Vielen Dank für eine aufschlussreiche Rückmeldung


    Mit freundlichen Grüßen

    Heinrich M.

  • Hallo Herr M.,


    das BMS ist dafür zuständig, die Batteriezellen vor schädlichen Einflüssen zu schützen, durch die ihre Lebensdauer u.U. verkürzt würde. So schützt das BMS die Batteriezellen z.B. vor Überladung, vor Tiefentladung, vor zu hohen Lade- oder Entladeströmen, vor Ladung bei zu niedriger oder zu hoher Temperatur und vor Kurzschlüssen. Es überprüft die Zellenspannung und balanciert die Zellen aus.


    Bei Bleibatterien wird kein BMS benötigt, weil diese sich bei Überladung in gewissen Grenzen durch Gasung selbst schützen. Durch Gasung wird in Bleizellen elektrische Energie in chemische und thermische Energie umgesetzt, wodurch verhindert wird, dass die Zellenspannung auf ungesunde Werte ansteigt. Da dies bei LiFePO4-Zellen so nicht funktioniert, würde die Zellenspannung bei Überladung ungehindert immer weiter bis über 3,65V/Zelle ansteigen, wodurch LiFePO4-Zellen dann zerstört würden. Vergleichbares gilt bei der Tiefentladung: Die mögen zwar auch Bleizellen nicht so gern, sie gehen aber nicht gleich kaputt, wenn eine Bleibatterie einmal tiefentladen wird. LiFePO4-Zellen vertragen Tiefentladungen unterhalb 2,5V aber nur sehr schlecht, weshalb das BMS die Batterie abschaltet, sollte ein Verbraucher der LiFePO4-Batterie einmal mehr Energie zu entnehmen versuchen, als diese enthält. So wird eine schädliche Tiefentladung dann verhindert.


    Die Balancer in BMS sind passive Balancer. Ein Equalizer ist dagegen ein aktiver Balancer. Der Unterschied ist, dass passive Balancer die Zellen mit der höchsten Zellenspannung zusätzlich mit Entladestrom belasten, so dass dort etwas Ladung abgebaut wird, damit die Spannung der betreffenden Zellen sinkt. Ein aktiver Balancer arbeitet anders. Hier wird Ladung von Zellen mit höherer Spannung in Zellen mit der geringerer Spannung „umgepumpt“, also verschoben. Das spart einerseits Energie und Ladung, andererseits sind die Ausgleichsströme von Equalizern bedeuten höher als die von passiven Balancern. Zudem arbeiten Equalizer permanent, während passiver Balancer wegen ihres unvermeidlichen Energiebedarfs nur während der Ladephasen und oberhalb einer gewissen Zellenspannung arbeiten, also während deutlich kürzerer Zeiträume. Zuletzt arbeiten Equalizer bedeutend präziser, gleichen also die Zellenspannungen genauer einander an.


    Wirklich „brauchen“ tut man Equalizer aber nicht, denn auch die normalen Balancer in den BMS erledigen ihre Arbeit durchaus zufriedenstellend. Es ist eben, wie Sie schon vermutet haben, eine Optimierung. Wer sich an stärker voneinander abweichenden Zellenspannungen stört, dem empfehle ich stets die Verwendung eines Equalizers, um die Zellenspannungen so gut wie möglich anzugleichen.


    Man muss aber wissen, dass im Bereich der Vollladung und ebenso im Bereich der nahezu vollständigen Entladung die Zellenspannungen naturgemäß immer auseinanderdriften. Die schwächsten Zellen einer Reihenschaltung sind eben zwangsläufig auch die ersten die beim Entladen leer und beim Laden voll sind. Entsprechend weichen dann auch ihre Zellenspannungen ab. Das können auch Equalizer nicht vollständig verhindern.


    Man kann komplette Batterien mit BMS parallelschalten. Jedoch würde ich dazu raten, nur die Zellen selbst parallel zu schalten und für die nun größer Dimensionierte Batterie nur ein einziges BMS für alle Zellen zu verwenden. Das vermeidet unnötige Asymmetrien zwischen einzeln von BMS autark gesteuerten Batterien, die unter Hochstrombedingungen zuweilen zu Betriebsstörungen führen können.


    Ja, ich habe alles vorrätig, was im Shop als „Sofort ab Lager lieferbar“ gekennzeichnet ist. Bei größeren Mengen am besten vorher nachfragen, ob die benötigten Artikel in der gewünschten Menge am Lager sind.


    Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen sinngemäß korrekt beantworten.


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom, bis zu welchen Spannungsunterschieden kompensiert denn ein aktiver Balancer, also wie genau bekommt der das hin? Bei diesen Zellen messen die BMS ja bis zu tausendstel Volt (und mein Multimeter tut selbiges - mit erstaunlich geringer Unterschied zur Messung des BMS), so dass ich mich frage, wie weit man überhaupt noch kompensieren will oder kann.


    Viele Grüße

    Reg

  • Meine Power Equalizer arbeiten tatsächlich so genau, bis eine Abweichung der Zellen von nur noch 1mV (also einem tausendstel Volt) erreicht wird. In den Außenbereichen des Ladezustands, also wenn die Zellen fast leer oder fast voll sind, spreizen sich die Spannungen dann natürlich wieder auf, wenn die erste Zelle als erste voll (oder leer) ist, weil dann die Spannung senkrecht ansteigt bzw. absackt. Das kann auch der beste Equalizer nicht verhindern. Aber im mittleren Ladungsbereich zwischen 10 und 90% lassen sich die Zellenspannungen durch einen Equalizer sehr schön angleichen.


    Hierbei geht es aber auch oft um Kosmetik. Du glaubst nicht wie oft bei mir das Telefon klingelt und ein völlig verstörter Kunde dann sein Leid darüber klagt, dass eine Zelle seiner Batterie defekt sei, weil deren Spannung aus der Reihe tanzt. Ich habe dann alle Hände voll zu tun diesen Kunden zu erklären, woran das liegt und dass das im Grunde kein Problem ist (weil es regelmäßig bei voller Batterie passiert, eben weil die schwächste Zelle im Verbund die erste ist, die voll geladen ist). Diesen Kunden empfehle ich dann, zusätzlich zum BMS-internen Balancer noch einen externen Equalizer zu verwenden. Der ändert an diesem Problem zwar auch nichts (siehe Erklärung oben), aber dafür hegt er die Zellenspannungen im mittleren Bereich ein und führt so zur Beruhigung der Kunden. Viele Leute haben Probleme damit, die sehr genauen Spannungsanzeigen der BMS-Apps richtig zu deuten. Woher soll jemand auch wissen, bis zu welchen Werten Spannungsabweichungen unbedenklich sind und wo die Grenzen liegen? Daher ist es im Grunde unsinnig, diese Leute mit mV-Spannungsanzeigen zu trietzen, die sie nur verunsichern. Die Firma Liontron hat das relativ früh erkannt und ihre Teletubbi-App streng psychologisch designed:



    Keine farbliche Hervorhebung der höchsten und der niedrigsten Zellenspannung. Aber am besten: Dieses einlullende Design und der Spruch "Es ist alles in Ordnung". :D Ich schätze, damit ist der Supportaufwand von Liontron um zwei Drittel gesunken...


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom, ja, da muss ich schmunzeln. Wahrscheinlich hast du Recht! Eine klare, deutliche Aussage "Alles in Ordnung" wird die Leute beruhigen. Danke für die insgesamt ausführliche Antwort. Gruß, Reg

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