Stromprobleme auf dem Segelboot

  • Hallo Tom,


    ich nehme mal den Vornamen, wenn sich Dein laden schon so nennt :-)


    Wir haben gerade ein altes Segelboot erstanden, bei dem der Motor (Volvo Penta MD7a) ausschließlich die Starterbatterie lädt. Das wollen wir natürlich ändern. Unten stehende Mail habe ich an die beiden Miteigner geschickt. Würdest du mal drüber schauen ob das Sinn macht ? Danke, Bestllung folgt dann :-)


    Hallo Jungs,



    habe intensiv zum Thema Lageregelung für zwei Batterien geforscht. Das Thema ist sehr schwierig und man findet eine Menge Foren-Beiträge, die eindrucksvoll die Hilflosigkeit vieler Beteiligter illustriert. Der Reihe nach:


    1. Was ist das Ziel ?


    Die Lichtmaschine des Motors soll neben der Starterbatterie (SB) auch die Verbraucherbatterie (VB) laden. Dabei dürfen sich die beiden Batterien nicht gegenseitig entladen, müssen also elektrisch getrennt werden. Ganz wichtig: Die Batterien sollten eine "Hierarchie" haben, d.h. die Starterbatterie ist immer die Wichtigere. Dieser Aspekt ist bei fast allen Lösungen nicht berücksichtigt.


    2. Welche Technik ?


    Sinnvolle Ergebnisse werden ausschließlich mit Mosfet-Technologie erreicht. Alle Aufbauten mit Dioden haben gravierende Technische Nachteile (Spannungsverlust an Diode muss am Laderegler kompensiert werden, Überhitzungsgefahr bei großen Ladeströmen, Erregerstrom für Lichtmaschine muss geliefert werden). Jetzt gibt es eine Reihe Mosfet gesteuerter Trenndioden (nennen sich so, obwohl keine Dioden darin enthalten sind). Diese müssen wiederum aber den Erregerstrom für die Lichmaschine liefern, was einen Eingriff in die Elektrik des Motors bedeutet. Das ist natürlich machbar, aber unschön. Zudem werden beide Batterien gleich behandelt und die Kombination mit Landstrom ist schwierig. Kosten liegen bei ca. 300€.


    Der Einsatz von mechanischen Relais ist auch nicht zu empfehlen. Dagagen spricht die Fehleranfälligkeit und der relativ hohe Stromverbrauch für die Steuerung der Relais. Zudem kann ein Fehlerstrom in die falsche Richtung fließen.


    3. Lösung ?


    Erstaunlich aber wahr, es musste erst ein Bastler ran um oben genannte Probleme zu beheben:


    http://www.microcharge.de/inde…w=article&id=62&Itemid=68


    Es handelt sich um einen Trennmosfet (TM), der nur die Aufgabe hat, die VB bei Bedarf automatisch mit der SB und der daran angeschlossenen Lichtmaschine zu verbinden. Dabei wird in jedem Fall verhindert, daß ein Rückstrom in die SB fließt. Kosten 160€, bei unproblematischer Montage. Es ist kein Eingriff in die Elektrik des Motors nötig.


    4. Landstrom ?


    Das Zusammenspiel mit dem Landstrom-Ladegerät (LL) will wohl überlegt sein. Es wird der Einbau eines weiteren Schalters nötig sein, um das System sicher vor Fehlbedienung zu schützen. Beispiel Adelante: "Niemals Landstrom legen wenn der Motor läuft etc."


    Ein Konzept wäre vielleicht sinnvoll: Das LL lädt im Normalbetrieb ausschließlich die VB. Da der TM einen Rückstrom verhindert gibt es keine Gefahr den Regler der Lichmaschine zu zerstören. Die SB sollte, wenn sie in Ordnung ist, eigentlich im Normalbetrieb ausreichend von der Lichtmaschine geladen werden.


    Parallel dazu sollte ein Notsystem (NS) installiert werden, das nur im Ausnahmefall einzuschalten ist. Dieses hat zwei Aufgaben zu erfüllen:


    a- Laden der SB über LL
    b- Start des Motors über VB


    Am einfachsten ist das NS zu realisieren, wenn wir einen Schalter installieren der die Batterien vertauscht. D.h. die gesamte Elektrik bekommt davon eigentlich nichts mit, da jetzt die VB zur SB wird und umgekehrt. Nur der eigentliche Umschaltvorgang ist wegen möglicher Spannungsspitzen problematisch, wenn der Motor läuft. Das NS sollte also einen eigenen Natoknochen haben. Der Schlüssel dazu ist nicht gesteckt, so dass es nicht irrtümlich aktiviert werden kann.


    So hätten wir ein redundantes System, das den Start des Motors auch bei defekter SB ermöglicht. Das ist keineswegs Standard, aber eine super Rückfalllösung im Fehlerfall. Parallel dazu sollten beide Batterien eine eigene Spannungsanzeige erhalten, so daß man den Ladezustand jederzeit im Blick hat.


    Gesamtkosten: ca. 250€


    Uff, naja vielleicht muß man sich das zweimal durchlesen ...


    Gruss Bernd

  • Hallo Bernd,


    ist doch gut beschrieben! :)


    Allerdings besteht definitiv keine Gefahr, wenn man ein Netzladegerät (Landstrom) mit einer Batterie verbindet, die gerade von der Lichtmaschine geladen wird. Da passiert gar nichts, die Batterie wird dann von der Stromquelle versorgt, welche die höhere Spannung anbietet. Auch eine Aufteilung des Ladestroms ist möglich, wenn beide Ladestromquellen gleiche Spannungen anbieten. In der Praxis ist das alles völlig unproblematisch.


    Auch die Zwischenschaltung des Trenn-MOSFETs führt hier nicht zu Problemen. So kann man sehr gut beide Akkus (SB + VB) gleichzeitig mit einem Ladegerät laden, wenn dieses an der Starterbatterie angeschlossen wird. Der Trenn-MOSFET wird dies registrieren und den Versorgungsakku automatisch dazuschalten. Wichtig ist nur, daß das Ladegerät ausreichend leistungsfähig ist, um beide Akkus zu versorgen. 10A-Ladeleistung stellen hier eine sinnvolle Mindestleistung dar.


    Als Starthilfe hat sich der bekannte Natoknochen gut bewährt, über den die Pluspole von SB und VB kurzfristig zum Start des Motors verbunden werden. Man braucht hier auch keine Angst vor schädlichen Spannungsspitzen zu haben, denn die Batterien puffern alles weg. Also einfach Umschalten, Starten und dann die Verbindung wieder öffnen. Mein großer ZVL-Trenn-MOSFET mit dem Starthilfe-Kit macht nichts anderes und das klappt ganz vorzüglich.


    Übrigens ist eine "Priorisierung" bestimmter Akkus beim Laden in der Praxis gar nicht notwendig, ja meist sogar schädlich! Der Grund ist, daß Bleiakkus mit Konstantspannung geladen werden. Der Ladestrom ist dabei zu Beginn der Ladung hoch und sinkt dann langsam ab, bis er bei Erreichen der Vollladung nur noch etwa 1% der Akku-Kapazität beträgt. Würde man hier priorisieren, müsste man dem Akku mit geringerer Priorität unnötig lange den - eigentlich vorhandenen - Ladestrom vorenthalten (der Akku mit hoher Priorität nimmt ja üblicherweise gar nicht den gesamten zur Verfügung stehenden Ladestrom auf), was die Aufladung des niedriger priorisierten Akkus dann natürlich stark verzögert. Also keine gute Lösung. Statt dessen schaltet man einfach beide Akkus parallel und legt - natürlich möglichst verlustarm - die Ladespannung an beide. Jeder von ihnen wird sich einen Teil des Ladestroms nehmen, wobei bei Bleiakkus sehr segensreich wirkt, daß der tiefer entladene Akku den größeren "Appetit" entwickelt. Die Kapazitäten werden so schnell angeglichen, der verfügbare Ladestrom wird optimal ausgenutzt und beide Akkus werden schnellstmnöglich voll geladen sein. Problem 100%ig gelöst! :thumbup:


    Viele Grüße!


    Thomas Rücker

  • Hallo Tom,


    danke für deine ausführlichen Schilderungen. Wir werden unser Schiff nächste Woche in Empfang nehmen:-) Ich bin mal gespannt, was und noch so alles erwartet bei der Elektrik ....


    Ich habe noch eine Frage: Wie entscheidet der Trenntrafo, ob er öffnet oder nicht? Du schreibst er erkennt, dass Lichttmaschine läuft. Ich könnte mir das nur mit der Restwelligkeit oder mit dem Warten auf einen Spannunghub erklären. Das andere Kriterium Spannung SB größer als an VB klar. Auf keinen Fall düfte sich die SB in die VB entladen ohne dass eine Versorgung per Lima oder LL erfolgt.


    Die Prioriserung ergibt sich für mich daraus, dass die SB evtl. lebenswichtig sein kann, inbesondere wenn man mehrere Tage keinen Landstrom zur Verfügung hat und die Gesamtmenge an erzeugter Energie knapp ist (langer Törn nur unter Segel). In dem von dir vorgeschlagenen Konzept könnte man in diesem Fall ja die VB einfach per Natokknochen abschalten. Das ggf. besser als das was ich mir ausgedacht habe.


    Ich werde mich jetzt mal um das Thema Erdung kümmern. Ist ja auch sehr spannend, inbesondere wenn man eine 230V Versorgung von Land mit Schutzleiter hat.


    Gruss Bernd

  • Hallo,


    der Trenn-MOSFET erkennt die laufende Lichtmaschine am Anstieg der Spannung im primären System über 13,3V hinaus. Sobald er diesen Anstieg registriert, schaltet er sich ein. Im aktivierten Zustand vergleicht der Trenn-MOSFET dann die Spannungen an Ein- und Ausgang und schaltet bei einer höheren Spannung des primären Systems die Verbindung durch. Sinkt die Spannung im primären System unter 13,1V, schaltet sich der Trenn-MOSFET komplett ab. Schon aus diesem Grund kann sich die Starterbatterie nicht in Richtung Verbraucherbatterie entladen, denn dafür müsste die Spannung an der Starterbatterie viel tiefer absinken, damit der SB ein Entladestrom entnommen werden kann.


    Eine Priorisierung ist trotz der hohen Bedeutung des Ladezustandes der Starterbatterie nicht empfehlenswert, denn die wird ja - zumindest bei korrekter Dimensionierung von Lichtmaschine, Batterien und Verbrauchern - auch nicht besser oder schneller geladen, wenn der Zweitakku nicht mitgeladen wird. Das einzige was passiert ist, daß der Zweitakku nicht, bzw. zu wenig geladen wird. Bitte verabschiede Dich von dem "Eimer-Modell". Blei-Akkus sind eben keine Eimer. Insofern herrschen hier - anders als bei Eimern - auch völlig andere Verhältnisse. Nur dann, wenn kein ausreichender Ladestrom zur Verfügung steht, macht eine "Rationierung" des Ladestroms Sinn. In der Praxis hat man viel mehr Ladestrom verfügbar, als die Akkus aufnehmen können. Und sollten doch Engpässe beim Ladestrom auftreten, dann empfehle ich dringend, eine stärkere Lichtmaschine einzubauen.


    Wenn nun mangels Motorlaufzeit längere Zeit überhaupt kein Ladestrom verfügbar ist, dann würde ich empfehlen, die Starterbatterie in dieser Zeit auch nicht mit Stromentnahmen zu belasten. Dann bleibt deren Energievorrat so lange unangetastet, bis der Motor wieder gestartet wird. Auch so ist eine besondere Priorisierung unnötig, denn die Starterbatterie ist permanent voll geladen. Wenn zur Erzielung dieser Null-Belastung eine Umverdrahtung diverser Verbraucher auf eine Zweit- (oder Dritt-) Batterie nötig wird, dann wird kein Weg daran vorbei gehen, diese Verbraucher entsprechend umzuklemmen.


    Viele Grüße!


    Thomas Rücker

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