Lithium-Plating: Dendritenwachstum beim Laden von Lithium-Akkus mit zu hohem Ladestrom / zu niedriger Temperatur

  • Die Panik der deutschen Automobilindustrie über den Tesla-Hype und die seit dem großen Anstrengungen auf diesem Gebiet, haben endgültig das Lithium-Zeitalter auch für alle anderen technischen Anwendungen nicht nur an, sondern sozusagen ausbrechen lassen. Naja, im Consumer-Bereich wird Lithium ja schon sehr lange für Smartphones und Notebooks verwendet. Aber inzwischen geht es auch bei Zweitbatterien für Wohnmobile und Boote stark in Richtung Lithium, denn die Leistung von Lithium-Batterien ist im Vergleich zu Bleibatterien wirklich enorm: Zyklisierung, selbst mit tiefen Zyklen, ist kein Problem, Sulfatierung gibt es nicht, ebenso keinen schnellen Kapazitäts- oder Leistungsverlust. Die Preise sind zwischenzeitlich auch im freien Fall. Wer will da noch jemals wieder zu den alten Bleiakkus zurück?


    EINS konnten Bleiakkus aber seit jeher besser als Lithium-Akkus: Sie vertragen klaglos hohe Ladeströme - sofern die zulässige Ladespannung nicht nennenswert überschritten wird. Auch tiefe Temperaturen führen (außer dem typischen Leistungsverlust bei Kälte) nicht zu Problemen oder gar Schäden.


    Anders Lithium-Akkus:

    • Der Ladestrom von Lithium-Akkus MUSS begrenzt werden, andernfalls kommt es schnell zur Beschädigung der teuren Zellen.
    • Besonders bei tiefen Temperaturen schrumpfen die bei Lithium-Akkus noch möglichen Ladeströme schnell auf lächerliche Werte. Manches BMS (Battery-Management-System) unterbricht jeglichen Ladestrom unter 0°C vorsichtshalber gleich völlig.

    Aber warum ist das so? Ich musste eine Weile graben, um die Antwort zu finden:


    Als negative Elektrode wird bei vielen Lithium-Systemen (Li-Ion, LiFePO4) Graphit auf einem Kupfer-Stromableitblech verwendet. Das Graphit wirkt nicht nur als leitfähige Elektrode, sondern auch als Speicher für Lithium-Ionen. Das funktioniert über die sogenannte Interkalation, worunter man die Einlagerung von Molekülen oder -Ionen zwischen den Gitterebenen eines Wirtsmaterials (wie z.B. Graphite) versteht.


    Interkalation von kleinen Metall-Atomen zwischen Graphitebenen (zum Video:

    )


    Es liegt auf der Hand, dass Lithium-Ionen beim Laden eine gewisse Zeit benötigen, um ausreichend tief in die negative Graphitelektrode einzudringen, um einen geeigneten Ort zum Interkalieren zu finden. Erhöht man den Ladestrom, muss die Interkalation zwangsläufig zügiger ablaufen, um in derselben Zeit mehr Lithium-Ionen im Graphitgitter einzulagern. Gelingt das nicht, lagert sich Lithium bevorzugt an der Elektrodenoberfläche ab. Diesen Vorgang nennt man "Lithium-Plating". Dabei wachsen Lithium-Dedriten auf der Oberfläche der Graphit-Elektrode in das dicht aufliegende Kunststoff-Vlies des Separators hinein. Dies ist aus dreierlei Gründen unerwünscht, denn einerseits verstopft aufgewachsenes Lithium die Poren der Graphit-Elektrode, was das weitere Eindringen von Lithium-Ionen unmöglich macht. So richtig übel ist aber, dass so aufgewachsenes Lithium bei der Entladung der Elektrode nie wieder vollständig abgebaut werden kann und mit der Zeit sogar durch den Separator hindurchwächst und so zu Zellenkurzschlüssen führt. Ein Video verdeutlicht, wie das in der Praxis aussieht:



    Also muss der maximale Ladestrom unbedingt auf den vom Hersteller des Lithium-Akkus spezifizierten Wert begrenzt werden!


    Beim Einsatz von LiFePO4-Batterien in Kraftfahrzeugen, soll üblicherweise die LiFePO4-Batterie während der Fahrt von der Lichtmaschine mit aufgeladen werden. Hierbei tritt regelmäßig das Problem auf, dass die Lichtmaschine deutlich mehr Strom abgeben kann, als die LiFePO4-Batterie verträgt. Das bei Lithium-Batterien stets erforderliche BMS ist aber aus technischen Gründen nicht in der Lage, den Ladestrom auf batterieverträgliche Wertre zu begrenzen. Es droht daher eine Beschädigung der Batterie durch zu hohen Ladestrom.


    Die Lithium-Batteriehersteller und -Verkäufer weisen meiner Meinung nach viel zu selten auf diesen Problempunkt hin, so dass eine große Zahl von Lithiumbatterie-Verwendern gar nicht weiß, dass sie ihre teuren LiFePO4-Batterien mit zu hohem Strom lädt, was deren zu erwartender Lebensdauer natürlich äußerst abträglich ist.


    Hinzu kommt die stark verminderte Ladestrom-Aufnahmefähigkeit der LiFePO4-Batterien bei Temperaturen von 0°C und darunter. Eine normale Lichtmaschine mit an Bleiakkus angepasstem Spannungsregler liefert dagegen bei Kälte sogar noch mehr Ladespannung (und damit indirekt auch mehr Ladestrom), als bei Zimmertemperatur, was das Problem endgültig verschärft! Die Händler von LiFePO4-Batterien drucksen aber diesbezüglich in ihren Artikelbeschreibungen meist nur herum, ohne die Interessenten entsprechend auf diesen Punkt hinzuweisen. Oft wird überhaupt nicht darauf eingegangen und nur mit den Vorzügen der neuen LiFePO4-Batterien geworben. Der Kunde hat dann später den Schaden. :P


    Was kann man nun aber als Anwender tun, um die Lebensdauer seiner teuren Lithium-Batterien nicht zu gefährden? Natürlich den Ladestrom begrenzen! Aber wie? :?::?: Schon mal einen DC-Strombegrenzer für Ströme zwischen 30 und 100A gesehen? Also ich nicht! Die Wohnmobilindustrie bietet die aus Bleiakkuzeiten bekannten Ladebooster zur Anhebung der Ladespannung für AGM-Batterien heute gern als Strombegrenzung für Lithium-Batterien an, was diese tatsächlich auch leisten können, weil in den Boostern immer ein Gleichspannungswandler enthalten ist, der naturgemäß nur eine maximale Stromlieferfähigkeit besitzt und der von seiner Steuereletronik bei drohender Überlast in der Spannung so herunter geregelt wird, dass der maximal zulässige Wandlerstrom nicht überschritten wird. Aber die Dinger sind ordentlich teuer, weil der technische Aufwand von Hochstrom-DC/DC-Wandlern naturgemäß hoch ist. Weshalb solche Einrichtungen auch nicht in den BMS der Lithium-Batterien enthalten sind - sie würden Aufwand und Preis zu weit steigern. Also Ladebooster nachrüsten! Am besten einen mit automatischer Absenkung des Ladestroms bei tiefen Temperaturen, so wie Lithium-Akkus es erforderlich machen.


    Wer weitergehende Infos zu diesem Thema sucht, dem sei die öffentlich zugängliche Masterarbeit von Florian Grimsmann


    "Auswirkungen des Ladeprofils auf das Lithium-Plating-Verhalten von Lithium-Ionen-Zellen"


    empfohlen, der mit einigem Tiefgang in diese nicht sehr bekannte Thematik einsteigt. :thumbup: Dies nur als technische Info für verwirrte Wohnmobilisten und Freizeit-Kapitäne.


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom,


    hab mir deine Liontron bestellt.

    Und habe das bisher so verstanden, dass das BMS bei Kälte das schon regelt mit dem niedrigen Ladestrom, oder zumindest wartet bis es unter dem Ducato Sitz warm wird.


    In deinem verständlichen Artkel zum Dentridenwachstum entnehme ich , dass die BMS oft zu simpel oder günstig sind als dass sie da groß was regeln könnten.


    So , wie mache ich es dann?


    Klemm ich im Winter den Akku ab, weil Kühlschrank brauch ich eh nicht, die Standheizung ok kann ich umklemmen und brauch ich nur fürs Ins und aus dem Bett.


    denn wenn der Motor läuft wird ja nach einiger zeit jedesmal der Akku geladen.

    und es wachsen die Dentriden auf dem Graphite.

    Oder ist die BMS von der Batterie geschickter?


    Oder nen Ausschalter am TrennMofet, der dann erst nach moliger Wärme an den Füßen vor der Batterie

    das Laden zuläßt?


    Danke schonmal wieder für deine wahrscheinlich schnelle Antwort.

    Du kannst fals das irgendwo schon wo steht mir unkompliziert den Link schicken, damit du nicht solang am blöden Rechner hocken must.


    Gruß dirk

  • Guten Morgen Dirk,


    ich finde es skandalös, dass Batteriehersteller und -Verkäufer dieses technische Problem der Lithiumbatterien (Ladestromschwäche bei Kälte wegen Dendritenbildung) verschweigen, bzw. es nur sehr am Rande erwähnen. Denn das ist nun mal ein klarer Nachteil aller Lithiumbatterien, den man als Anwender unbedingt kennen sollte. Andernfalls wären Enttäuschungen unvermeidlich.


    Bei den Liontrons isses wie in der Beschreibung dargelegt: Sie „lösen“ das Problem, indem bei zu niedriger Temperatur die Ladung vom in der Batterie fest eingebauten BMS zur Sicherheit gleich komplett unterbunden wird. Diese „Lösung“ lässt sich nur dadurch umgehen, indem man die Batterie nicht zu kalt werden lässt: Also im (beheizten) Innenraum einbauen, dann tritt es nicht auf. Oder über eine direkte Beheizung der Batterie, z.B. über elektrische Heizfolien drumherum. Anders geht es bei den Liontrons BMS-bedingt nicht.


    Bei anderen Batteriefabrikaten, deren BMS nicht so rigoros vorgehen wie das von Liontron, kann man den Ladestrom extern(!) elektronisch begrenzen. Das ist technisch durchaus aufwändig, weshalb solche Strombegrenzungen in den mir bekannten BMS auch nicht enthaltenen sind. Zumal die genannten 0°C natürlich auch keine harte Grenze darstellen, bis zu der alles OK ist und darunter nicht mehr. Das eigentliche Problem beginnt schon deutlich früher, denn schon bei „nur“ 10°C ist die Dendritenbildung beim Laden deutlich stärker ausgeprägt als bei 20°C. Zu niedrigeren Temperaturen hin verstärkt sich dieser Effekt dann natürlich. Optimal wäre also eine elektronische Ladestrombegrenzung, welche temperaturgeführt arbeitet und den Ladestrom je nach Batterietemperatur auf die hierzu passenden Werte begrenzt.


    Ich arbeite gerade an der Erweiterung eines am Markt erhältlichen recht günstigen Ladeboosters (der allerdings weniger "boosten" als mehr nur den Ladestrom begrenzen soll), der diese temperaturgeführte Regelung dann selbsttätig vornimmt. Sollte eigentlich klappen. :)


    Grüße, Tom

  • Hier einmal die klare Aussage des weltgrößten Herstellers (CATL) von LiFePO4-Zellen zum maximal zulässigen Ladestrom im Verhältnis zur Zellentemperatur. Solche Daten sind ja sonst allgemein nur schwer erhältlich.


    Die linke Grafik gilt für einen Ladezustand (SOC) zwischen 0 und 80%, die rechte für einen Ladezustand zwischen 80 und 100%. Sie unterscheiden sich nur in der maximalen Laderate.



    Es wird deutlich, dass

    1. kein linearer Zusammenhang zwischen der Zellentemperatur und der Ladestromverträglichkeit besteht, dass
    2. auch hohe Temperaturen den maximal zulässigen Ladestrom begrenzen und dass es
    3. auch noch die bereits o.g. Abhängigkeit des maximalen Ladestroms vom Ladezustand der Zelle gibt:

    Der maximal zulässige Ladestrom von 1C (1C entspricht einem Ladestrom in Höhe der Zellenkapazität, 0,1C entsprechend einen Zehntel der Zellenkapazität) wird nur bis max. 80% Ladezustand und dann auch nur zwischen 18 und 37°C vertragen. Sind 80% Ladezustand erreicht, darf generell nur noch maximal mit 0,8C weitergeladen werden.


    Oberhalb 37°C sinkt der zulässige Ladestrom erstaunlich schnell ab, oberhalb 60°C darf nicht mehr geladen werden.


    Ähnliches gilt unterhalb von 18°C, wobei bei nur 2°C weniger, also bei 16°C, sogar nur noch 50%, also 0,5C Ladestrom zulässig sind. Bei 5°C sinkt der zulässige Ladestrom auf nur noch 0,1C und ab 0°C darf überhaupt nicht mehr geladen werden.


    Man muss beim betrachten der Kurven den Anfängerfehler vermeiden, zu glauben, dass die Ladung bis zur Kennlinie völlig problemlos ist und darüber die Zellen sofort beschädigt werden, denn es handelt sich ja nicht um einen digitalen Prozess, sondern um einen analogen! Die Schädigung beginnt also schon deutlich vor Erreichen des gezeigten Strom-Maximums in geringer Form und steigt dann bei Erreichen der Kurve auf ernsthaft die Zellenlebensdauer verkürzende Werte an.


    Dies nur als Demonstration, wie man sich die temperaturabhängige Ladestromakzeptanz von (CATL) LiFePO4-Zellen vorzustellen hat. Ich finde, diese Grafiken helfen sehr beim aussuchen des zur Batterie passenden Ladeboosters. Es hat übrigens keinen Zweck zu glauben, bei LiFePO4-Zellen anderer Hersteller gäbe es diese Probleme mit der Ladestrom-Verträglichkeit nicht. Es gibt sie bei allen Herstellern gleichermaßen, weil alle dieselbe Technologie der Lithium-Interkalation in Graphit verwenden, wo diese Probleme leider systembedingt sind. Da LiFePO4-Batterien aber in der Praxis sher gut und ausdauernd funktionieren, besteht auch kein Grund, weiter auf Bleibatterien zu setzen (außer es MUSS bei Kälte ohne Heizmöglichkeit schnell geladen werden, dann geht es mit LiFePO4 definitiv nicht).


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom,


    ich möchte eigentlich auch meinen micro charge nicht entsorgen und auf lifepo umstellen und habe überlegt ob man nicht beide Technologien kombinieren kann, in dem man die Bleibatterie über den micro charge läd und dann mit einem lifepo Ladegerät die Litium Batterie wenn es dann im Auto warm genug ist. Man könnte so auch bei Kälte Energie speichern und hätte auch die Vorteile von konstanter Spannung und geringem Gewicht aus der Litiumwelt.


    Grüsse Christian

  • Trenn-MOSFETs eignen sich nur zur Ladung von Bleibatterien. Aber wenn ein Batterie-zu-Batterie-Ladegerät vorhanden ist, kann man dieses natürlich dazu verwenden, die LiFePO4-Batterie aus der Bleibatterie zu laden.


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom,


    Prima, danke für die Info. Dann versuche ich das mal in der Praxis. Muss ich noch was zwischen die Blei Batterie und das Ladegerät schalten oder anders gefragt, können die hohen Ströme das Ladegerät zerstören oder kommen die dort dann gar nicht mehr an (Beachte den Status Anfänger :-))

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