Zu 1.: Ja! Daran ist hauptsächlich die Säureschichtung schuld. Um das zu erklären müsste ich jetzrt seeeeehr weit ausholen. Und weil ich heute noch weg will, mache ich es mal so kurz wie möglich. Es wird trotzdem lang...
Bei Bleiakkus ist der Elektrolyt Teil des elektrochemischen Energieaustausches: Wird der Akku entladen sinkt die Säuredichte, weil Schwefelsäure sich mit Blei und Bleidioxid zum Entladeprodukt Bleisulfat verbindet. Bei der Ladung kehrt sich der Vorgang um und Säure wird frei. Diese Aufnahme und Abgabe der Säure geschieht räumlich unmittelbar am beteilgten Aktivmaterial, insbesondere innerhalb des Bleischwamms und der porösen Elektroden. Diese sich bei Ladungsänderungen ebenfalls stets ändernde Säurekonzentration muss sich daher zum großen Teil durch Diffusion mit dem umgebenden Elektrolyten ausgleichen, was einerseits Zeit benötigt (darum sind fast alle Vorgange im Bleiakku an eine Zeitkomponente gekoppelt) und andererseits direkt am Rande der Aktivmaterialien starke Schwankungen der Säuredichte gegenüber dem restlichen Elektrolyten mit sich bringt. Nun ist die konzentriertere Schwefelsäure schwerer als wie weniger konzentrierte, was dazu führt, dass sie gern zu Boden sinkt. Beim Entladen wird der Elektrolyt direkt an den aktiven Platten leichter, so dass diese leichtere Säure gern nach oben steigt. Man findet daher in jedem Bleiakku mit flüssigem Elektrolyten schon nach kurzer Zeit eine beachtliche Säureschichtung vor, wo die Konzentration der Säure unten hoch und oben niedrig ist. Dies führt dazu, dass die Platten unten unter der Einwirkung der erhöhten Säuredichte deutlich stärker entladen werden als oben. Das führt sogar dazu, das bei zyklischen Lade/Entladeschema die Entladetiefe an der Plattenunterseite noch wesentlich höher wird als an der oberen. Diese größere Entladetiefe der Plattenunterseite in Verbindung mit dem an der Unterseite ohnehin ständig niedrigeren Ladezustand führt dazu, dass sich unten deutlich größere Bleisulfatkristalle bilden als oben. Die Sulfatierung betrifft also besonders den unteren Teil der Platten. Entsprechend hoch ist dort der Verschleiß und in dessen Folge der dort entstehdende Kapazitätsverlust. So "kriecht" das Siechtum quasi von unten nach oben hoch. Dies nur als Hinweis, dass man innerhalb eines gebrauchten Akkus ganz unterschiedliche Bereiche von Sulfatierung vorfindet: Unten stark, oben wenig.
Wie gut oder schlecht sich diese bei praktisch jeder Starterbatterie vorhandene, vertikal stark unterschiedliche Art der Sulfatierung durch Bepulsen wieder aufheben lässt, wurde bisher leider kaum erforscht, so dass nur empirisch ermittelte Ergebnisse hierüber vorliegen. Um eine genaue Aussage treffen zu können, müsste ein recht beachtlicher Aufwand getrieben werden. So müssten zunächst einmal reproduzierbar sulfatierte Bleiplatten zur Verfügung stehen, die dann ganz gezielt bepulst werden. Allein hier kann der durchschnittliche Bastler schon nichts mehr ausrichten, weil ihm schlicht das Ausgangsmaterial mit bekanntem Ist-Zustand fehlt. Dann muss die Säureschichtung regelmäßig gemessen werden und schließlich müssten die Platten nach einer bestimmten Zeit optisch/physikalisch bzw. chemisch untersucht werden, um die verbleibende Sulfatierung quantitativ und qualitativ zu ermitteln. Das hat aber meines Wissens noch niemand gemacht. Immer blieb der Akku letztlich eine Art Black-Box, dessen Eigenschaften ausschließlich über die Anschlussklemmen messtechnisch oder in der täglichen Betriebspraxis "ermittelt" wurden. Das bringt zwar auch gewisse Einsichten über die Veränderungen dieser Black-Box, aber leider kaum Erkenntnisse über die inneren Veränderungen.
Aus diesem Grund sind den diversen Pulser-Händlern ihre esoterischen Märchen auch nur schwer auszutreiben ("Resonanzfrequenz des Bleisulfats" ... blabla MHz ... "Zertrümmern der Sulfatmoleküle" ...): Nix genaues weiß keiner. Ich auch nicht. Meine eigenen Erfahrungen beschränken sich hauptsächlich auf zwei Szenarien:
- Total sulfatierte und taube Starterbatterien, die sich durch Bepulsen - sofern sie vor der total-Sulfatierung noch brauchbar waren - wieder in einen für längere Zeit gut brauchbaren Zustand bringen lassen
- Durch insbesondere langsame Entladung stark zyklisch beanspruchte AGM- bzw- Gel-Akkus mit merklichem Kapazitätsverlust, deren verfügbare Kapazität sich durch langanhaltendes Bepulsen wieder deutlich spürbar steigern lies.
Wie sich die Bepulsung jetzt im Detail auf die Platten und die Aktivmaterialien auswirkt, kann ich nicht sagen, aber wenigstens wann und unter welchen Umständen das Bepulsen überhaupt etwas bringt, wie viel es vorraussichtlich an Kapazitätszuwachs bringen wird und wo man sich die Liebesmüh sparen kann, weil sie hier und da eben auch mal nichts bringt. Das Thema hatten wir ja schon weiter oben.
Zu 2. Jaein! Wie oben beschrieben bildet sich beim Energiewechsel von Entladen nach Geladen eine erhöhte Schwefelsäurekonzentration um die beteiligten Partikel, die beim Laden in Blei bzw. Bleidioxid umgewandelt werden. Entsprechend vermindert sich danach an diesen Stellen der Ionenstrom und verlagert sich hin zu den Stellen mit geringerer Säuredichte, wo dann vermehrt Bleisulfat umgewandelt wird. Das Ganze findet natürlich seine natürlichen Grenzen, weil bei einem weitgehend geladenen Akku das Potential zwischen den Elektroden kaum ohne lebhafte Gasentwicklung über 2,45V hinaus ansteigen kann. Diese dann einsetzende Gasentwicklung führt - vermutlich - insbesondere bei gealterten Akkus dazu, dass der Umwandlung des Bleisulfats gewisse Grenzen gesetzt sind.
Es geht aber auch nicht vorrangig darum, alles Bleisulfat in Blei und Bleidioxid umzuwandeln, sondern eher darum, die wenigen großen Bleisulfatkristalle in mehr und insbesondere kleinere Kristalle umzuwandeln, da im laufenden Betrieb von Bleiakkus immer eine störende Tendenz zum (Sulfat-)Kristallwachstum besteht. So verfügt z.B. ein junger Akku über viele kleine Bleisulfatkristalle, die zu Beginn der Entladung als Kristallisationskeime zur Verfgung stehen, während ein älterer über weniger und deutlich größere Bleisulfatkristalle verfügt, die als Kristallisationskeime deutlich weniger wirksam sind. Zudem vergrößern sich diese ohnehin schon größeren Kristalle bei der Entladung noch weiter. Man kann nun einen Teil dieser großen kristalle durchaus verkleinern (natürlich nicht durch "zertrümmern" , sondern einfach durch Aufladung), aber ein Teil wird auch immer zurück bleiben, wenn man den Akku nicht durch Überladen massiv anderweitig schädigen will.
Ich hoffe, diese etwas geraffte Klarstellung hilft bei der Einschätzung, wie es in Bleiakkus aussieht, was man durch Ladestrom-Pulse verbessern kann und was nicht.
Grüße, Tom