12V 100Ah LiFePo Batterie nimmt nur ca 70Ah an - Zelle Überspannung - was tun?

  • Hallo,


    ich habe bei meiner 12v 100Ah LiFePo Belluna Batterie (4 Eve Zellen a 3,2V) mit JBD BMS (und damit passivem Balancer) das folgende Problem:


    Sie nimmt beim Laden von 0% auf "100%" nur ca 70Ah auf.


    Beim Laden mit Victron IP65 12/10 (egal ob mit 13,8, 14,2 oder 14,6V) und 10A bei Zimmertemperatur schaltet die Ladung auf Grund von Zelle-Überspannung der 1. Zelle ab (da 3,6V überschritten)

    Laut BMS und App sind dann 68Ah drin, Anzeige ist dann 100%. Im BMS ist aber 100Ah eingestellt, daher sind es real 68%. Das zeigt die Liontron App im Gegensatz zu Xiaoxiang App dann auch so an.


    Um nicht lediglich falschen Anzeigen des BMS (Stichwort Saldierung) auf den Leim zu gehen und zu wissen was die Batterie für eine tatsächliche Kapazität hat, habe ich dann wie folgt getestet:

    Bei der Entladung von "100%" auf 0% (bis Abschaltung wegen Zelle-Unterspannung, bei mir gewöhnlich Zelle 3) habe ich bei 4,3A konstante Entnahme eine Abschaltung nach 16h 17 min, und lande damit bei 69,87Ah.


    Die Anzeigen von BMS, Apps und Victron Ladegerät stimmen also relativ gut.


    Ich habe es jetzt schon mit mehreren Malen Laden und Entladen versucht, in der Hoffnung das unterwegs die Zellen ausgeglichen werden.

    Es passiert aber immer das gleiche: bei Annäherung an 70Ah geht die Spannung von Zelle 1 hoch - und schaltet die Ladung ab sobald 3,6V erreicht ist.

    Beim Endladen das gleiche mit Zelle 3 wenn diese unter 2,7V geht.


    Meine Frage:

    Gibt es neben dem Einbau einer aktiven Balancers (den es hier zu kaufen gibt) evtl. noch andere Möglichkeiten "von außen" eine gescheite Vollladung aller Zellen zu erreichen?


    Ich habe hier und da von Top Balancing gelesen, aber das bedingt die Batterie zu öffnen (Gehäuse nicht verschraubt sondern verklebt) und ein Spezielles Ladegerät um die Zellen einzeln vollzuladen.

    Das übersteigt aber meine Möglichkeiten. Während das sicher die Beste Option wäre, suche ich nach Ideen wir man das evtl auch:

    - gescheites Entladen / Aufladen

    - leichtes Entladen und stärkeres Aufladen

    - kluge Wahl von Ladeschlusspannung und Stromstärke

    - oder sonstwas


    von Außen Balancieren kann. Der passive Balancer ist ja Ansicht dafür da, dass zu können, jedoch scheint der Machtlos gegen das schnelle Ansteigen der Zell Spannung von Zelle 1.


    Gibt es solche Möglichkeiten oder hilft tatsächlich nur der Umtausch über den Händler?


    Lieben Gruß

    Matthias

  • Hallo Matthias,

    ich vermute dass hier eine starke Unbalance zwischen den Zellen vorliegt, die in der Praxis so wirkt wie in diesem animierten Bild erkennbar ist:


    schlechtes_zellenbalancing_klein.gif


    Bei Dir stößt Zelle 1 als erste an die bei der Ladung maximal zulässige Zellenspannung und Zelle 3 bei der Entladung an die minimal zulässige Zellenspannung. So bleibt also die nutzbare Kapazität auf den Bereich beschränkt, wie er in der Animation zu sehen ist und ein gewisser Teil der Zellenkapazität kann nicht genutzt werden, weil dann die zulässigen Spannungsgrenzen der betreffenden Zellen über- bzw. unterschritten würden. Es handelt sich also in erster Linie um eine Zellen-Unbalance.


    Normalerweise sollte der (passive) Balancer des BMS dieses Problem beseitigen, jedoch gibt es bei passiven Balancern unter bestimmten Bedingungen Probleme dies zu bewerkstelligen. Dazu muss man wissen, dass passive Balancer nur dann arbeiten, wenn

    1. Ladestrom fließt und
    2. die Zellenspannungen zugleich einen gewissen Spannungswert überschreiten. Zugleich besitzen passive Balancer
    3. nur einen kleinen Ausgleichsstrom, weil sie bedingt durch Ihre Bauart nur die spannungsstärksten Zellen dämpfen, also Leistung in Wärme umwandeln, die natürlich abgeführt werden muss. Dadurch können passive Balancer immer nur mit kleinen Strömen arbeiten.

    Alles zusammen führt in Deinem Fall vermutlich zu dem Problem, dass das Zellenbalancing dauerhaft schlecht ist.


    Man muss jetzt aber nicht das Batteriegehäuse aufsägen, um einen aktiven Balancer (auch "Equalizer" genannt) einzubauen, sondern man kann das Problem durch gezieltes Entladen und möglichst langsames Aufladen lösen. Langsames Aufladen deswegen, damit der passive Balancer genügend Zeit findet, um die Zellen mit der höchsten Spannung genügend zu dämpfen. Das dauert! Wenn z.B. wie von Dir ermittelt 30Ah Kapazität fehlen, muss man davon ausgehen, dass man dem Balancer die Zeit geben muss, diese fehlenden 30Ah durch Dämpfung der Zellen mit der höchsten Spannung zu vernichten, damit man in der Zwischenzeit die Zellen mit der niedrigsten Spannung entsprechend weit aufgeladen bekommt. Wenn nun aber der Balancer z.B. nur einen Ausgleichsstrom von 0,1A schafft, würde das logischerweise mindestens(!) 30 Stunden effektive Ladezeit bei aktiviertem Balancer dauern. Bitte an Punkt 1. und 2. denken, dass Ladestrom fließen muss und alle Zellen eine gewisse Mindestspannung aufweisen müssen (die bei Deiner Belluna-Batterie vermutlich unbekannt ist, aber meistens bei 3,3 bis 3,4V pro Zelle liegt), bevor der passive Balancer überhaupt wirksam werden kann.


    In der Praxis würde man das folgendermaßen anstellen:


    1. Batterie vollständig entladen und unmittelbar nach der Abschaltung des BMS wegen leerer Batterie die Zellenspannungen ablesen und notieren.
    2. Dann die Batterie mit geringem Strom (ich empfehle einen Strom zwischen 0,5 und 1A) aufladen. Das wird aber mit einem normalen Ladegerät kaum gehen, weshalb ich dazu ein Netzteil mit einstellbarer Stromregelung wie z.B. mein Labornetzteil 0-30V/max. 10A, Artikel-Nr. 2030 empfehle. Das Netzteil auf eine Spannung von 14,7V und 1A Strom einstellen und damit dann die Batterie ganz langsam aufladen. Um 100Ah einzuladen wird das wenigstens 100h dauern, also gute vier Tage. Danach sollten die Zellenspannungen sich durch das Arbeiten des Balancers deutlich besser angepasst haben. Nach erfolgter Vollladung die Batterie nochmals wenigstens 24h weiterladen lassen, während der Balancer weiterhin die Zellenspannungen ausgleicht. Dabei wird das BMS den Ladestrom immer wieder für eine bestimmte Zeit ab- und dann wieder einschalten, sobald sich die Spannung der Zellen mit der höchsten Spannung der zulässigen Spannungsgrenze genähert hat und dann wieder etwas abgesunken ist. Man muss da schon etwas Geduld mitbringen.
    3. Ich würde nach erfolgreicher Vollladung die Batterie nochmals entladen und dabei die entnehmbare Kapazität messen und danach mit 14,6V und 2A nochmals voll aufladen.

    Danach wieder alle Zellenspannungen notieren und mit den vorherigen Werten vergleichen, um den Erfolg der Maßnahme zu überprüfen. Meistens funktioniert diese Methode und bringt eine einwandfreie Batterie zurück.


    Bitte daran denken, dass ein passiver Balancer nur während der Ladung arbeitet, es bei BMS aber immer einen bestimmten Mindest-Ladestrom gibt, unterhalb dessen das BMS den Strom nicht mehr korrekt messen kann und deshalb fälschlich einen Strom von Null annimmt - und den Balancer abschaltet. Deshalb bringt es meistens nichts, mit sehr kleinen Strömen von 0,1A aufzuladen, weil das BMS dann keinen Stromfluss erkennt und den Balancer gar nicht erst einschaltet. Um hier auf der sicheren Seite zu sein, helfen BMS mit Bluetooth viel, deren Apps den Strom und oft sogar die Balancer-Tätigkeit anzeigen. Auf diese Anzeigen kann man sich verlassen, wenn das BMS dauerhaft einen Strom von oberhalb 0A anzeigt.


    Danach sollte sich das Zellenbalancing deutlich verbessert haben und die Kapazität der Batterie der Nennkapazität entsprechen.


    Falls das Zellenbalancing danach in Ordnung ist, aber die Batterie trotzdem nur eine Kapazität deutlich unterhalb der Nennkapazität aufweist, handelt es sich um einen Garantiefall und ich empfehle sie beim Händler zu reklamieren.


    Dasselbe gilt, wenn diese massive Unbalance nach gewisser Zeit immer wieder auftritt. Dann liegt es in der Regel daran, dass eine der vier Zellen eine gegenüber den anderen Zellen erhöhte Selbstentladerate aufweist. Diese Zelle entlädt sich also von selbst deutlich schneller als die anderen drei und sackt deshalb immer wieder in der Spannung gegenüber den anderen Zellen ab. Auch das wäre, jedenfalls soweit dieser Effekt ein gewisses Maß überschreitet, ein Reklamationsfall.


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom,


    vielen Dank für deine hervorragende, hilfreiche Antwort!

    Mein Ladegerät kann ich auch auf 3A einstellen, bei relativ frei einstellbarer Spannung.

    Hier habe ich auch die Option, zwischen Ladegerät-Modus (mit seinen eigentlich für Blei Batterien gedachten Phasen/Stufen) und dem Stromversorgungsmodus zu wählen (fixe Spannung und Stromstärke ohne Zählen der Ah)


    Wären 3A noch zu viel Ladestrom?

    Wenn ich gleichzeitig noch einen 2A Verbraucher dran hänge käme ich als Bilanz ja bei 1A raus. Oder ist das aus Gründen kontraproduktiv?


    Außerdem kann ich per App im BMS einstellen, dass der Balancer nicht nur beim Laden arbeitet, sondern auch im Ruhezustand. Letzteres funktioniert aber scheinbar nur kurz, ehe er aufhört zu Balancen. Das könnte auch an den Schwellwerten liegen (ggf. auch an für mich nicht änderuaren)).


    Ebenfalls kann ich im BMS einstellen, bei welcher Spannung (aktuell 3,2V, default 3,4v) er überhaupt mit dem Balancen anfängt und welche max. Drift das ziel ist (aktuell 20mV, default 30mV)


    Sollte ich hier eine noch niedrigere Schwellwert Spannung eintragen, damit die Dauer des Balancen maximiert wird?


    Ich möchte gern mein Möglichstes (jedoch ohne große finanzielle Investitionen) von meiner Seite versuchen bevor ich die Batterie zurücksende. Der Händler ist auf jeden Fall bereit sie zu tauschen und meinte er schickt mir eine andere, geprüfte, könnte meine Batterie aber wieder hinkriegen. Das hatte dann bei mir Hoffnung gemacht, dass ich die selber - wie er - auch wieder hinkriegen könnte. Du hast mir hier schon mal einen nicht-invasiven Weg gezeigt. Ich will ich probieren und berichten wie es lief.


    Lieben Dank

    Matthias

  • Hallo Matthias,

    es geht natürlich auch mit 2 oder 3A Ladestrom, nur kann es dann eben sein, dass ein kompletter Durchlauf nicht ausreicht. Einfach mal ausprobieren, notfalls zwei oder drei Durchläufe machen.


    Je niedriger Du den Spannungs-Schwellenwert zum Start des Balancers einstellen kannst, desto hilfreicher ist das bei dieser Kur. Wenn er auf 3,2V Zellenspannung eingestellt ist, arbeitet der Balancer fast von Beginn der Ladung an.


    Bei der Differenzspannung zwischen den Zellen, ab welcher der Balancer mit seiner Arbeit beginnen soll, braucht man nicht allzu ängstlich vorgehen. Für die Kurz stellt man sie so niedrig wie möglich ein. Im Normalbetrieb sind 20 bis 30mV aber auch ausreichend.


    Grüße, Tom

  • Hallo Tom,


    ich habe die Kur wie von dir beschrieben einige male durchgeführt. Jedoch ohne Erfolg. Das Verhalten war jedes mal das gleiche:

    solange ich beim Laden von Null auf Voll unterhalb von 60Ah geladener Kapazität blieb, war die Zellenspannung und ihre Differenz zueinander sehr niedrig, der Balancer machte also (ab den nun eingestellten 3,2v) seinen Job, und das auch wirklich gut!

    Wurde dann aber die 65-68Ah erreicht, schoss auch bei 1,2A Ladestrom (Ladegerät auf 3A und einen Verbraucher (12V Glühbirne) zum senken des Ladestroms) die Spannung von Zelle 1 wie gehabt nach oben.


    Ich ging dann davon aus, dass ich das Problem nicht selbst lösen kann ohne die Batterie zu öffnen und habe sie daher reklamiert.

    Aktuell ist sie beim Händler angekommen, welcher sie sich heute hoffentlich mal anschaut und mir ggf. eine andere als Ersatz schickt.


    Ich geb hier gern bescheid wie es weiter geht.


    Lieben Gruß

    Matthias

  • Hallo Tom,


    Ich habe ein ähnliches Problem, aber was ich nicht ganz verstehe. Warum sollte ich den Akku kpl. entladen, wenn der passive Balancer erst bei 3,4V balanciert. Es würde doch reichen, wenn ich soweit entlade, dass die höchste Zelle unter 3,4V fällt und dann könnte ich mit dem geringen Ladestrom, wie Du es oben beschreibst, mit 2A laden. Oder habe ich einen Denkfehler.


    Vielen Dank


    Grüße, Martin

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