Warum driften die Zellenspannungen von LiFePO4-Batterien manchmal auseinander? Ist das ein Defekt?

  • Worum es geht:


    Seit es 12V-Lithium-Batterien mit aufwändigen BMS und Smartfon-Apps gibt, welche auch die einzelnen Zellenspannungen anzeigen, erreichen mich regelmäßig erschrockene Anfragen von Kunden, die festgestellt haben, dass die Spannungen der einzelnen Zellen zuweilen auseinanderdriften und die darin einen Defekt der Batterie zu erkennen glauben. Ich erkläre dann, dass dieses Verhalten in bestimmten Situationen völlig normal ist und dass es dasselbe Phänomen im Übrigen auch schon bei Bleibatterien gegeben hat, Dort hat es nur keiner bemerkt, weil die Zellenpole bei Bleibatterien im Gehäuse verborgen waren und es keine Smartfon-Apps gab, welche die Zellenspannungen ausgegeben haben. Alles was man dort "sah", war also die Gesamtspannung der Batterie, aus der man die Spannungsabweichungen zwischen den Zellen natürlich nicht mehr herauslesen kann. Das ist bei den modernen LiFePO4-Batterien heute anders und die meisten Batterie-Apps zeigen die auch die einzelnen Zellenspannungen an.


    Es handelt sich dabei also um einen normalen und im Grunde harmlosen Vorgang: Die Zellen sind fast nie 100%ig gleich, sondern weisen alle gewisse fertigungsbedingte Abweichungen voneinander auf. Zwar versucht man, möglichst Zellen aus einer einzigen Fertigungslinie zur Verarbeitung in Batterien zu verwenden, um auf diese Weise schon mal eine möglichst hohe Wiederkehrgenauigkeit zu erreichen, ohne eine aufwändige und teure "Selektion" der Einzelzellen durchführen zu müssen. Aber dennoch unterscheiden sich Spannungslage, Innenwiderstand und Kapazität zwischen den Zellen immer ein wenig voneinander und auch die Selbstentladerate zwischen den Zellen schwankt je nach Temperatur, Zellenalter und Zellengeschichte. Auch verändern die Zellen eines Batterieverbundes ihre technischen Daten während der Benutzung.


    Ursachen:


    Es gibt drei Hauptursachen bei stark voneinander abweichenden Zellenspannungen:

    1. Als erstes die verstärkte Spannungsdrift im Bereich unmittelbar vor Lade- bzw. Entladeschuss.
      Wird eine Batterie, die aus mehreren in Reihe geschalteten Einzelzellen besteht, aufgeladen, kommt unweigerlich irgendwann der Zeitpunkt, an dem die erste Zelle voll aufgeladen ist. Die anderen Zellen sind zwar auch schon fast voll, aber eben noch nicht ganz. Das führt dazu, dass die voll aufgeladene Zelle Ihre Spannung bei weiter fließendem Ladestrom sprunghaft erhöht, während die anderen Zellen in der Spannung unverändert bleiben. Ergebnis: Man erschrickt, wenn man auf die App schaut und feststellt, dass eine Zelle eine viel höhere Spannung aufweist als die anderen.

    1. Man erkennt, dass sich im Bereich von Entladeschluss (links, niedriger Ladezustand) und Ladeschluss (rechts, hoher Ladezustand) die Zellenspannungen stärker verändern als im mittleren Bereich zwischen 10 und 90% Ladezustand. Da die Zellen einer Batterie in der Kapazität fast immer um wenige Prozent voneinander abweichen, sind einzelne Zellen zwangsläufig früher leer oder voll als andere und dementsprechend spreizen sich die Zellenspannungen in diesen Bereichen dann auf. Dagegen ist prinzipiell nicht viel zu machen, außer bei der Zusammenstellung der Batterie die Zellen nach Kapazität zu selektieren, was aber aus Kostengründen nur bei sehr hochwertigen Batterien für besonders kritische Anwendungen gemacht wird (Militärische- und Raumfahrtanwendungen, Rennsport). Balancer können diesen Effekt prinzipiell gar nicht beseitigen und selbst Equalizer (aktive Balancer) können ihn nur bei sehr kleinen Lade- und Entladeströmen etwas abmildern. Man sollte sich deswegen aber keine grauen Haare wachsen lassen, da die normale Zyklisierung in der Regel nur im mittleren Ladungsbereich stattfindet, so dass man diesen Effekt höchstens in der Endphase beim Laden bemerkt. Hier stört er meist nicht weiter. Problematisch wird es erst, wenn eine Zelle eine stark verminderte Kapazität gegenüber den anderen Zellen aufweist, so dass sie beim Laden sehr viel früher in der Spannung ansteigt und dann, ab einer gewissen Überspannung das BMS die Ladung der Batterie abschaltet, obwohl die stärkeren Zellen vielleicht erst zu 70 oder 80% geladen sind.

      Man kann auch leider nicht viel gegen die an den Endbereichen auseinander laufenden Spannungen machen, denn kein Balancer kann die bei hohen Lade- und Entladeströmen auftretenden Spannungsunterschiede einfach so wegbügeln. Die Ausgleichsströme reichen hierfür einfach nicht aus. Das ist aber kein Problem, so lange die Zellen in etwa gleiche Innenwiderstände und Kapazitäten aufweisen, so dass die Spannungsunterschiede nur in den Grenzbereichen auftreten und in Ruhe dann vom Balancer schnell wieder ausgeglichen werden.


    2. Schlechte Zellenbalance durch schwierige Betriebsbedingungen der Batterie.
      Wenn man ein BMS mit passiven Balancer verwendet (fast alle BMS am Markt besitzen passive Balancer), sollte man wissen, dass passive Balancer nur im Bereich der Vollladung arbeiten.
      Kurze Erklärung: Passive Balancer versuchen die Zellen in der Spannung dadurch anzugleichen, dass sie die Zellen mit der höheren Spannung durch einen gezielt aufgeschalteten Entladestrom belasten, um so die Zellenspannung "herunterzuprügeln". Das ist ein einfaches und auch recht brauchbar funktionierendes Prinzip, jedoch arbeiten passive Balancer deshalb ausschließlich im oberen Ladungsbereich der Zellen. Denn wenn man nicht die ganze Batterie über die Zeit durch den Balancer völlig entladen will, muss man solche "Stromverbrat-Balancer" relativ früh abschalten. Diese Abschaltung des Balancers erfolgt meistens bei Zellenspannungen knapp unter 3,3V. 3,3V Zellenspannung liegen aber kaum unter der Spannung, die voll aufgeladene LiFePO4-Zellen besitzen. Das bedeutet, dass passive Balancer nur im Bereich der Vollladung einer Batterie arbeiten können. Im mittleren und unteren Ladungsbereich sind sie dagegen komplett abgeschaltet. Das spart zwar Strom, führt aber dazu, dass Batterien, die überwiegend im mittleren oder niedrigen Ladungsbereich betrieben werden (was oft bei Solarbatterien der Fall ist), kaum noch ein Zellenausgleich stattfindet. In der Folge driften die Zellenspannungen dann nach längerer Zeit ohne Vollladung selbst im mittleren Ladungsbereich deutlich auseinander.

    3. Schlechte Zellenbalance durch minderwertige Balancer.
      Manche Zubehör-Balancer fernöstlicher Herkunft funktionieren eher schlecht als recht und sind nicht mal das bisschen Geld wert, dass sie kosten. Die Wiederholgenauigkeit der verwendeten Elektronik ist leider oft mangelhaft und die Ausgleichsströme lächerlich gering, so dass solche Balancer keinen echten Nutzen bringen. Das ist natürlich Mist, weshalb man besser gleich die Finger von fragwürdigem Kram lassen und nur erprobtes Material verwenden sollte.

    Fazit:


    Zusammenfassend kann man sagen, dass passive Balancer, wie sie in handelsüblichen Lithium-BMS eingebaut sind, durchaus eine brauchbare Lösung für Standard-LiFePO4-Batterien sind. Sie verhindern bei regelmäßiger zyklischer Verwendung der Batterien die sich mit der Zeit aufbauende Spannungsunterschiede zwischen den Zellen und halten den Zellenverbund ausreichend (+/- 10mV) gut in Balance. Schwierig wird es aber bei Batterien, die hauptsächlich im unteren und mittleren Ladezustand betrieben werden, weshalb diese dann von passiven Balancern prinzipbedingt kaum noch balanciert werden.


    Lösung:


    Sehr vorteilhaft im Betrieb haben sich so genannte Equalizer erwiesen, auch aktive Balancer genannt: Solche Geräte versprechen, nicht einfach nur die Zellen mit der höchsten Spannung abzuwürgen, sondern von dort überschüssige Ladung elegant in die Zellen mit geringerer Spannung zu transformieren. Hier findet also ein Ladungstransport statt, der Ladungsverluste und unerwünschte Wärmeentwicklung vermeidet und zugleich auch noch Energie einspart. Der wichtigste Nutzen solcher Equalizer ist aber, dass sie zumeist über den gesamten Ladungsbereich der Zellen arbeiten können, also insbesondere auch im wichtigen mittleren Ladungsbereich, in dem sich die Batterien ja meistens befinden, wenn sie nicht gerade voll aufgeladen gelagert werden. Die oben unter Punkt 2. beschriebenen Probleme treten mit Equalizern also nicht mehr auf. Hexen können Equalizer aber auch nicht, so dass Probleme durch mangelhafte Zellensymmetrie bei der Zusammenstellen einer Batterie auf diese Weise auch nicht völlig zu beheben sind. Sie helfen aber sehr, um die bei manchen Batterien im mittleren Ladungsbereich notorisch auftretende Abweichungen zu beseitigen. Man berücksichtige aber auch hier Punkt 3., denn mangelhafte Qualität schadet oft mehr als sie nützt. Die von mir angebotenen Equalizer sind in jedem Fall von erprobter Qualität und ich garantiere zu 100% für ihre korrekte Funktion.


    Grüße, Tom

  • Danke für deine sehr ausführliche und super nachvollziehbare Erklärung. Gerade als Neuling ist das Thema doch ein bisschen verwirrend und es muss erst einmal "klick" im Kopf machen wie das ganze funktioniert und sich im realen Leben verhält.


    Für alle die das ganze einmal visualisiert haben möchten, hier einmal ein Link zu meiner Anlage in der auch ein aktiver Balancer vom Cheffe hier verbaut ist.


    https://vrm.victronenergy.com/…ion/175068/share/037bcec3


    Das Daly BMS hängt über ein USB-Kabel an nem Raspberry Pi mit dem VenusOS von Victron *Klick* der als Zentrale dient. Dort wurde ein Treiber *Klick* zwecks kommunikation mit dem BMS installiert und die Anlage lässt sich so wunderbar Remote beobachten.


    Der Treiber benötigt hier und dort noch etwas Feinschliff, funktioniert im großen und ganzen aber schon sehr gut. Wer Fragen dazu hat kann sich gerne bei mir melden oder liest in einem der 3 Foren in denen das Thema (und der Entwickler davon) recht aktiv ist.


    https://energytalk.co.za/t/diy…-driver-for-victron-gx/80

    https://community.victronenerg…ial-connected-bms-av.html

    https://diysolarforum.com/thre…ll-solar-smart-bms.17847/

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