Wenn Kunden bei mir nach 230V-Wechselrichtern fragen, dann schielen sie meist besonders auf die unterste Preiskategorie. Ist ja klar: Man will schließlich nur ein bisschen Kaffee kochen, vielleicht noch mal eBikes und Smartfons laden. Dafür braucht man ja sicher nix großes. Dann haben sie irgendwo mal Wechselrichter für ein paar Euro gesehen und waren fast versucht diese zu kaufen. Einfach mal ausprobieren.
Ich möchte niemanden entmutigen, aber wenn Sie eines Tages nicht ohne Kaffee auskommen möchten, dann lesen Sie bitte das hier:
Die erforderliche Leistung (W):
230V-Wechselrichter sind elektronisch überraschend aufwändig aufgebaute Geräte. Dshalb bin ich fassungslos, dass man schon welche für kaum 50,- Euro bekommt, die sogar tatsächlich funktionieren. Hier toben sich die Chinesen so richtig aus und zaubern wirklich ganz tolle Sachen. Aber was kann man mit solchen Geräten anfangen? Ich habe auch so einen Winzling im Programm: 12V/230V, max. 500W schreibt der Hersteller drauf. Hab ich mal ausprobiert, aber nach zwei Minuten bei 500W verbrennt man sich die Finger daran und nach allerallerspätestens drei Minuten bei Volllast raucht das Teil dann ab. Ansonsten aber ein tolles Gerät: Klein, billig und, ganz im Ernst: Sogar langlebig. Wenn man es nicht überlastet (oder falsch belastet, aber dazu an anderer Stelle mehr).
Bild 1: Bei 74°C an der Seite des kleinen 500W-Wechselrichters hört man die Ehefrau im Wagen jauchzen, jedenfalls wenn sie dranfasst...
Denn so ganz ehrlich sind die Chindesen bei den Leistungsangaben leider nicht: Das Kästchen schafft zwar kurzzeitig 500W (also vielleicht 10 Sekunden), aber auf Dauer höchstens 300W. Und auch die nur bei guter Kühlung, weshalb das kleine Lüfterlein dann auch die ganze Zeit vernehmlich rauscht. Aber OK, die 300W schaft er wenigstens und zum laden von eBike-Batterien und Smartfons reicht der Kleine in der Regel auch aus. Beim Laden bitte trotzdem von leicht brennbaren Gegenständen fernhalten.
Aber zum Kaffee kochen? Dafür braucht man schon wenigstens 2.000W für einen 230V-Wasserkocher oder eine Kaffeemaschine und das schafft der Kleine natürlich nicht mal ansatzweise.
OK, aber dann müsste doch der nächstgrößere 1.500W/3.000W das locker schaffen. Oder?
Naaajaaaaa....
Wenn die Chinesen 1.500W/3.000W draufschreiben, dann heißt das erfahrungsgemäß eher nur maxxximal 1.500W! Die dahinter stehende Angabe 3.000W gilt sowieso nur für ein paar Milli(!!)sekunden, also für Einschaltströme. Die kann man also getrost vergessen. Und selbst die 1.500W sind in der Regel eigentlich nur 1.000W + etwas "zweckmäßige Übertreibung" der Werbung.
Daher lautet die Antwort: Nein, auch solche kleinen 1.500W/3.000W Wechselrichter reichen eher nicht zum Kaffeekochen aus! Meistens auch noch nicht mal für eine kleine Coffee-Pad-Maschine.
Möchten Sie Kaffee kochen, brauchen Sie also wenigstens einen Wechselrichter der 2.000W-Klasse! Und dann noch etwas Reserve, denn sie wollen das Kistchen ja nicht bis zum Anschlag ausquetschen. Immer daran denken: Zweckmäßige Übertreibung... Also kaufen Sie besser den nächstgrößeren 2.500W/5.000W-Wechselrichter. Der sollte das dann aber auch problemlos schaffen.
Den Leistungsbedarf von Verbrauchern richtig einschätzen! (Induktive Verbraucher)
Allen Wechselrichtern ist es zueigen, dass sie nicht die volle Leistung abgeben können, wenn "induktive Verbraucher" wie Elektromotoren, Transformatoren bzw. elektronische Geräte mit Schaltnetzteilen daran betrieben werden. Der Grund ist, dass solcherart Verbraucher zusätzlich zur reinen Wirkleistung noch einen mehr oder weniger großen Anteil an Blindleistung aufnehmen. Während die elektrische Wirkleitung von den Geräten selbst verbraucht wird, ist der Blindleistungsanteil der Strom, der nur sinnlos hin-und-hergeschoben wird. Solch ein Blindleistungs-Strom fließt phasenversetzt zur Spannung in die Verbraucher und von dort, ebenfalls phasenversetzt wieder zurück zur Stromquelle. Es handelt sich also um einen tatsächlich fließenden Strom, daher auch um Leistung, die erbracht und zur Verfügung gestellt werden muss. Dies ist schon im Haushalt bei größeren Leistungen zu beachten, führt aber an solar- und batteriebetriebenen Wechselrichtern noch viel schneller zu Schwierigkeiten, weil der Wechselrichter durch diese Blindleistung der induktiven Verbraucher zusätzlich zu deren auf´genommenen Wirkleistung Leistung bereitstellen muss.
Als Fausformel kann man sagen, dass induktive Verbraucher in etwa die dreifache Gesamtleistung zur Versorgung benötigen als rein ohmsche Verbraucher. D.h. dass der Wechselrichter zur Versorgung induktiver Verbraucher beträchtlich stärker ausgelegt werden muss! Leider ist das Thema technisch etwas kompliziert und deshalb wissen die meisten Elektro-Laien damit auch nicht wirklich viel anzufangen. Aus diesem Grund mein Hinweis mit der Fausformel und der in etwa dreifachen Leistung.
Beispiel: Sie haben einen modernen Kompressor-Kühlschrank mit etwa 50W Leistungsaufnahme (induktiv, rund 500W(!) Anlaufleistung), einen Fernseher mit 50W (induktiv), 230V-LED-Lampen mit 20W (auch induktiv), einen Toaster mit 500W (ohmsch), ein kleines eBike-Ladegerät mit 50W (induktiv) und eine Coffeepad-Maschine mit 750W (induktiv), die Sie - nicht immer, aber doch manchmal - zusammen betreiben möchten. Das sind dann nominell 1.420W. Wir müssen aber die Leistungsaufnahme der induktiven Verbraucher mit drei multiplizieren! Deshalb kommen wir zusammen auf 2.760W Gesamtleistungsanteil für die induktiven Geräte (also Wirk- und Blindleistung zusammen) + den "ohmschen" Toaster mit 500W. Zusammen sind das also 3.260W Gesamtleistung, die der Wechselrichter als DAUERLEISTUNG mindestens zur Verfügung stellen muss!
Noch nicht mit eingerechnet ist die stark erhöhte Anlaufleistung des Kühlschrankkompressors, die dieser kurzzeitig beim Einschalten durch den Thermostaten aufnimmt. Dieser kurzzeitige Zusatz-Leitungsanteil wird von den meisten Wechselrichtern noch klaglos vertragen, soweit deren nominelle Leistung korrekt dimensioniert ist.
Fazit:
Ich weiß was Sie jetzt denken, und Sie haben recht: DER TYP WILL AN MEIN GELD! Klar soweit! Aber noch mehr will ich meine Ruhe!
Ich will nicht, dass mein Telefon Sonntag Morgens um 8.00 Uhr klingelt und dann sind Sie dran: Sie stehen mit Ihrem Womo irgendwo an der türkischen Grenze, der eine Spur zu knapp ausgewählte Wechselrichter hat gerade alle Viere von sich gestreckt und Vati kriegt keinen Kaffee. Das brauche ich genauso wenig wie Sie. Also tun Sie uns beiden einen Gefallen und kaufen bitte einen Wechselrichter wenigstens mit der Leistung, die ich Ihnen zum Kaffeekochen empfehle: 2.500W!
Sollte der dann trotzdem beim beim morgendlichen Kaffekochen abrauchen, dürfen Sie mich auch gerne am Sonntag Morgen aus dem Bett holen. Versprochen! Ich komme dann auch gleich mit meinem (Akku-)Lötkolben vorbei.
Grüße, Tom