Ladezustand über Klemmenspannung ermitteln

  • Hallo Herr Rücker,


    ein Freund der eine Solar Inselanlage mit AGM Akku betreibt hat mich gefragt ob ich wüsste, ob es eine Verhältnismässigkeit zwischen Akkku Spannung und vorhandener Kapazität (Wh) gibt.
    Seine Anlage läuft mit einem Steca Solarix 2010, der schon bei 11,6V akkuschonend abschaltet und erst wieder anschaltet, wenn das PV Modul bei 12,5V liegt. An manchen Tagen im Winter können dann die angeschlossenen Verbraucher nicht genutzt weren, weil das Modul nicht genug Leistung bringt.
    Ich hab versucht im www eine allgemeine Kurve 'Akkuspanung über Kapazität ' zu finden leider ohne Erfolg. Wissen Sie wie sich das verhält?
    Ich hatte bisher eine Spannung von 10,8 V als unterste Entladespannung angenommen, der Steca ist hiervon sehr weit entfernt.


    Grüße aus Aachen


    Norbert D.

  • Hallo,


    beim Bleiakku kann man die Säuredichte in Näherung über die Klemmenspannung ermitteln. Ist die Säuredichte bekannt, lässt sich darüber auf den Ladezustand schließen. Allerdings gibt es einige Tücken, über die man in der Regel stolpern wird, welche eine direkte Restkapazitäts"messung" über die Akkuspannung als eher zweifelhaft erscheinen lassen.


    Bei einem Akku mit mehreren hintereinander geschalteten Zellen wird die Spannung aller Zellen in der Regel nicht gleich sein. Insofern kann beim sechszelligen 12V-Akku die zunächst einfach erscheinende Gleichung


    Ueinzelzelle = Uklemmespannung / Zellenzahl


    in die Irre führen, weil sie eben nur eine mittlere Spannung aller Zellen wiedergibt, die entnehmbare Restkapazität jedoch ausschließlich von der schwächsten Zelle abhängt. Solange die Messung der Einzelzellenspannungen nicht möglich ist, kann man mit einem so ermittelten Spannungswert also nicht viel anfangen, weil eben nicht bekannt ist, welche Spannung die schwächste Zelle aufweist.


    Es gibt einen Zusammenhang zwischen Säuredichte und Zellenspannung, der sich durch die Faustformel Säuredichte (in g/cm³) + 0,84 = Ruhespannung (in V) beschreiben lässt. Diese Faustformel gilt aber nur unter der Bedingung, dass die Zelle völlig zur Ruhe gekommen ist (dass also sämtliche Konzentrationsunterschiede im Elektrolyten ausgeglichen sind (keine Säureschichtung, keine durch laufende Osmose hervorgerufenen Dichteänderungen zwischen Elektrolyt und Aktivmaterial u.ä.)). Es dürfen also über einen Zeitraum von mindestens einer Stunde keinerlei Lade- oder Entladeströme geflossen sein. Ferner besteht eine Abhängigkeit von der Zellentemperatur. Eine exakte Berechnung wäre zwar über die sogenannte Butler-Volmer-Gleichung möglich (http://de.wikipedia.org/wiki/Butler-Volmer-Gleichung) - so man über alle zur Berechnung benötigten Daten verfügt - eine detaillierte Abhandlung sprengt aber den Rahmen des hier besprechbaren, weshalb ich nur den Link mitliefere. In der Praxis wird man sich vermutlich mit der o.g. Faustformel begnügen, da die Verschachtelung der vielen mit großen Abweichungen behafteten Einzelbetrachtungen letztlich zu einem so großen "Schätzfehler" führt, dass eine wirklich exakte Berechnung über Butler-Volmer vermutlich auch nicht glücklich macht.


    Als letztes ergibt sich das grundsätzliche Problem, dass sich die einem Bleiakku entnehmbare Energiemenge mit der Größe des Entladestroms ändert. Allein deshalb ist es nicht möglich vorab anzugeben, wie viele Wattstunden sich einem Bleiakku noch entnehmen lassen, wenn man die Höhe des Entladestroms nicht kennt (man kennt ein vergleichbares Problem vom Bordcomputer eines PKWs, wo man oft ablesen kann, wie viele Kilometer man mit der restlichen Tankfüllung - theoretisch - noch fahren kann. Eine in der Praxis ziemlich sinnlose Angabe, weil der Computer nun mal nicht wissen kann, wie hoch der spezifische Verbrauch zukünftig sein wird (Stadtverkehr/Stau/Schnellfahrt/Gegenwind/Anhängerbetrieb...)).


    Dieser Zusammenhang ist auch das Kernproblem aller mir bekannten Geräte zur Erkennung des Entladeschlusses über die Klemmenspannung ("Tiefentladeschutz") des Akkus, weil keines die Höhe des Entladestroms mit in die Erkennung einbezieht. In der Regel wird einfach nur die Akkuspannung gemessen und bei Unterschreiten eines festen Wertes abgeschaltet. Diese Abschaltung findet dann bei hohen Strömen meist zu früh und bei niedrigen sinngemäß zu spät statt, so dass auch hier der Nutzen ziemlich begrenzt ist.


    Man merkt also, dass die Auswertbarkeit der Akku-Klemmenspannung weitaus komplizierter ist als anfänglich angenommen, weshalb sich bis heute auch eine Ermittlung der entnehmbaren Restkapazität über eine einfache Messung der Akku-Klemmenspannung nicht durchsetzen konnte. Von einfachen Tiefentladeschutzsystemen einmal abgesehen.


    Grüße, Tom

  • Hallo Herr Rücker,
    vielen Dank für die Informationen- ist wie immer sehr informativ wenn Sie antworten!


    Ich habe mich eventuell falsch ausgedrückt, als ich die Frage gestellt habe.


    Tatsächlich geht es mir nicht um die Ermttlung der tatsächlichen Restkapazität zu einem gegebenen Zeitpunkt, sondern darum ein Verständnis dafür zu erlangen,
    in welchem Spannungsbereich sich die Energie im Akku verteilt und dann, ob es sich dabei um einen linearen Zusammenhang oder anderweitig (z.B. E- Funktion / Gauss- was auch immer ) handelt.
    Wir wissen bei der Anlage vom Freund schlicht nicht, ob der Steca nicht viel zu früh abschaltet (11,6V) und das Energiefenster einfach zu schmal ist. Er hat zwei 'Hühnermobil.de' mit einen Stromverbrauch von 0,5A bei der Belechtung, pro Tag werden so ca. 5Ah entnommen, alles zusammengerechnet- also keine großen Ströme, wenig Enregie insgesamt im Verhältnis zur nominellen Kapazität.


    Die Akkus für beide Fahrzeuge sind neu, haben 80Ah und die Restaufzeit ist bei bescheidenen 4-5 Tagen in Winter, wenn die Akkus voll geladen wurden (zuhause mit professionellem Ladegerät). Dass entspricht also einer tatsächlich entnehmbaren Kapazität von 25Ah bis bei 11,6V der Steca dichtmacht und die Anlagen abschaltet. Mein Gedanke war also: wenn wir tiefer entladen könnten, würde die Anlage länger laufen. Dazu müsst eich aber wissen, was die tolerierbare Spannungsschwelle nach unten hin ist, ohne die die Akkus schaden nehmen, also die Globale Verteilung der Akkuspannung über der Kapazität.
    ohne auf spezielle Effekte Rücksicht zu nehmen.
    Können Sie mir hier weiterhelfen?
    Grüße aus Aachen
    Norbert D.

  • Hallo Herr Dicken,


    bitte verzeihen Sie, wenn ich den Support für die Konkurrenz nur in gewissen Grenzen übernehmen kann. Sicher kann Ihnen der Hersteller des Ladereglers in dieser Sache auch wesentlich besser weiterhelfen als ich, denn der kennt ja im Gegensatz zu mir das Gerät.


    Wegen der Frage, bei welcher Entladespannung in Bezug auf den Entladestrom mit welcher entnehmbaren Kapazität gerechnet werden kann, habe ich mal ein Blättchen von Sonnenschein beigelegt. Etwas unter der Mitte finden Sie ein paar Tabellen, die einen Fingerzeig geben, wohin die Reise geht. Pauschal kann man aber sagen, das bei niedrigen Entladeraten im Bereich von C100 und darunter die Abschaltspannung mit Blick auf die entnehmbare Kapazität kaum noch eine Rolle spielt, wenn die Akkuspannung erstmal unter 12V gefallen ist. Bei 11,6V und C100-Entladung ist der Akku praktisch als leer anzusehen. Geht man noch tiefer, sinkt die Klemmenspannung sehr schnell ab, ohne dass sich noch nennenswert Energie entnehmen lässt. Im übrigen nimmt der Akkuverschleiss bei so großen Entladetiefen stark zu. Auf größere Entladetiefen als 60% würde ich bei der Projektierung eines Systems nie gehen.


    Man kann wohl davon ausgehen, dass die Akkus Ihres Freundes offensichtlich völlig verschlissen sind, wenn sich den 80Ah-Akkus trotz vorheriger Vollladung bei Entladeraten unter C100 kaum noch 25Ah entnehmen lassen, bevor die Klemmenspannung unter 11,6V fällt (Akkus wirklich neu? Oder nicht voll geladen, bzw. stimmt die ermittelte entnommene Kapazität ggf. nicht?). Als "verschlissen" gelten Akkus gemeinhin, wenn die Kapazität unter Entlade-Normbedingungen 80% unterschreitet. Dieser Punkt muss wohl, wenn die übermittelten Daten stimmen, schon vor einigen Jahren durchschritten worden sein... ;-)


    Grüße, Tom

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!