MicroCharge Bigblock kann nur bis zu 92% aufgeladen werden

  • Hallo Herr Rücker,


    mein Solar und auch der Ladebooster laden die Batterie immer nur bis 92%. Nun meine Frage, ist das vom MPPT und den Ladebooster so geregtelt oder vom BMS? Ist es schädlich für die Batterie voll geladen zu werden? So fehlen halt gut 20-30Ah falls mal nicht die Sonne scheint.


    Noch eine Frage. Ich gehe davon aus, das BMS ist so intelligent, dass es keinen Strom mehr rein lässt sobald die Batterie voll ist, damit nix kaputt geht? Ich kann auch kurz anrufen wenn es Ihnen lieber ist als zu schreiben, wollte nur nicht so oft stören.


    Viele Grüße, Martin aus Dresden, aktuell Sardinien :)

  • Hallo Martin,


    die Frage nach der Ursache, weshalb sich LiFePO4-Batterien oft nicht mehr weiterladen lassen, ist nicht so ganz schnell zu beantworten. Ich muss daher ein Stück weit ausholen:


    Weil die Spannungs/Ladezustands-Kennlinie von LiFePO4-Batterien im Gegensatz z.B. zu Bleibatterien extrem unlinear ist, kann man von der Zellen- bzw. Batteriespannung nicht ohne weiteres auf den Ladezustand schließen.



    Sie sehen, dass sich die Spannung einer LiFePO4-Zelle in einem Bereich des Ladezustands zwischen 10 und 98% fast gar nicht ändert. Deshalb kann eine exakte Ladezustandsermittlung auch nicht über die Spannung erfolgen: Die „Messung“ wäre zwischen 10 und 98%-Ladezustand extrem ungenau.


    Aus diesem Grund arbeitet die Ladezustandsanzeige (englisch auch SOC genannt, „State Of Charge“) saldierend: Das BMS bzw. der Batteriecomputer misst


    • den fließenden Strom

    • seine Richtung

    • und seine Dauer


    und ermittelt auf diese Weise die Größe der Ladungszunahme bei fließendem Ladestrom, bzw. Ladungsabnahme bei fließendem Entladestrom.


    Jedoch kann das System durch Saldierung allein nicht ermitteln, wann eine Zelle oder Batterie leer oder voll ist. Deshalb benötigt es zur korrekten Anzeige noch zwei weitere Informationen:


    1. Die Nennkapazität der Batterie

    2. Die genauen Werte von Ladeschluss- und Entladeschlussspannungen


    Als Ladeschlussspannung bei LiFePO4-Zellen gilt meistens eine obere Zellenspannung von ca. 3,6V, das sind in einer vierzelligen LiFePO4-Batterie etwa 14,4V.

    Als Entladeschlussspannung bei LiFePO4-Zellen gilt meist eine untere Zellenspannung von ca. 2,5V, das sind bei vierzelligen LiFePO4-Batterien also 10V.

    Die Nennkapazität ist auf den Akkuzellen aufgedruckt und kann bei der Einstellung des BMS direkt übernommen werden.


    Der angezeigte Ladezustand wird vom BMS beim Laden Stück für Stück erhöht. Wird die Ladeschlussspannung erreicht, wird eine Art Reset ausgelöst und schlagartig auf 100% Ladezustand geschaltet. Wird dagegen bei der Entladung die Entladeschlussspannung erreicht, wird auch eine Art Reset ausgelöst und sofort auf 0% Ladezustand geschaltet.


    Und jetzt wird auch klar, dass dieses System nur dann korrekt funktionieren kann, wenn die Ladeschlussspannung einer Ladestromquelle mindestens der im BMS eingestellten Ladeschlussspannung entspricht. Wird diese Spannungsschwelle dagegen nicht erreicht, wird niemals ein Ladezustand von 100% angezeigt. Genau das dürfte bei Ihrer Anlage der Kern des Problems sein.


    Die Ladeschlussspannung des MicroCharge-Bigblocks liegt bei 14,2 - 14,4V. 14,4V sollten also wenigstens erreicht werden, um die Ladezustandsanzeige des BMS auf 100% zu bringen. Der Ladezustand wird ebenso auf 100% gesetzt, wenn die Spannung der ersten Akkuzelle mindestens 3,55V erreicht.


    Schauen Sie also einmal nach, wo genau die Ladeschlussspannung Ihres Ladeboosters bzw. Ihres Solar-Ladereglers liegt und stellen Sie beide auf mindestens 14,4V. Dann wird die Ladezustandsanzeige beim nächsten Erreichen von 14,2V (an der Batterie gemessen) auch wunschgemäß auf 100% springen. Die Differenz zwischen 14,4V und 14,2V wird benötigt, um Spannungsverluste auf dem Ladekabel zu kompensieren.


    Um zu Ihrer zweiten Frage zu kommen:


    Ja, das BMS schaltet den Ladestrom bei Erreichen von 14,6V ab, bzw. dann, wenn die erste Zelle 3,65V erreicht hat. Eine weitere Aufladung ist in diesem Zustand nicht mehr möglich, damit die Zellenspannung nicht höher ansteigen kann und Beschädigungen durch Überladung sicher ausgeschlossen sind.


    Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.


    Grüße, Tom

  • Servus Tom,

    Danke für diese umfangreiche Erklärung, diese sollte angepinnt oder mittels pdf verfügbar gemacht werden.

    Hier werden alle Fakten mit den entsprechenden Hintergrundinformationen gebündelt dargestellt.

    Vielleicht sollte noch das formieren mit niedrigem Ladestrom aufgenommen werden. Das hat mir beim installieren meiner kleinen LiFePo extrem geholfen.

    Meine Meinung

    lg

    Manfred

  • Hallo Manfred,

    das Thema "falsch anzeigende" Ladezustandskontrolle ist in meiner täglichen Support-Praxis ebenso ein absoluter Dauerbrenner, wie auch hier im Forum. Ausnahmslos jeder nicht sachkundige Anwender wundert sich darüber und die Ursache ist immer dieselbe, nämlich dass der Anwender der Ladezustandskontrolle absolut vertraut, weil er annimmt, dass es sich ebenso um eine "Messung" handelt, wie die Messung von Spannung und Strom. Nur dass es eben keine Messung im technischen Sinne ist.


    Auch auf den Inhalt einer CO2-Druckgasflasche kann man nicht allein durch Messung des Gasdrucks schließen, weil sich der Gasdruck ganz ähnlich verhält, wie die Zellenspannung bei LiFePO4-Akkus: Er ändert sich selbst bei einem sehr großen Schwankungsbereich der Gasmenge so gut wie gar nicht. Aber hier kann man wenigstens leicht das Gewicht der Gasflasche messen und so schnell aus dem Stand den Inhalt ermitteln. Dummerweise wiegt Strom aber nichts... oO)


    Wenn also das BMS einer LiFePO4-Batterie nur einen Ladezustand von z.B. 80% anzeigt, obwohl der Solar-Controller bereits auf Vollladung erkannt und auf (für Lithium-Systeme unsinnige) Erhaltensladung zurückgeschaltet hat, nimmt der Anwender fälschlicherweise an, dass die Batterie nicht voll aufgeladen wurde. Würde er auch mal auf die Batteriespannung schauen und den Sachverhalt mit der Spannungskurve oben kennen und verstanden haben, würde er von selbst darauf kommen, dass eine vierzellige 12,8V-LiFePO4-Batterie auch schon mit 13,5V nahezu voll aufgeladen ist. Aber dieses Wissen muss man leider jedem Anwender einzeln mit vielen kleinen Löffelportionen erst verabreichen und damit verbringe ich zunehmend größere Teile meiner Arbeitstage. Viele Anwender mit solchen Problemen kommen dann über Google oder Bing u.a. in dieses Forum und finden diese Beiträge und ich hoffe, sie können dazu beitragen, weiter Licht ins Dunkel der oft überschätzten Ladezustandskontrolle zu bringen.


    Achso:

    Das von Dir erwähnte Formieren mit kleinem Ladestrom, also das Angleichen der Zellen untereinander auf Maximalladung sollte wirklich einmal im Detail erklärt werden. Jedoch glaube ich, dass es in diesem Thread deplatziert wäre. Ich würde mich freuen, wenn Du Deine Erfahrungen damit an anderer Stelle hier im Forum einmal anbringen würdest. Ich schreibe dann auch gern selbst noch etwas dazu. :)


    Grüße, Tom

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