Welche Gase entstehen beim "Auskochen" Bleibatterie?

  • Hallo, liebe Forummitglieder.


    Hätte da mal ne Frage an die Batterietechniker / Chemiker:
    Im Winterquartier unseres Fernreisemobils (3 Monate unbeaufsichtigt) spielte eine Wohnbatterie (Typ Blei-Starterbatterie) verrückt, obwohl nur 6 Monate alt: eine Zelle hatte "Kurzschluss", wodurch die restlichen Zellen regelrecht ausgekocht wurden (Ladegerät liefert konstante Spannung bei bis zu 30A, IUoU-Kennlinie). Die defekte Zelle hatte nachher noch "normalen" Säurestand, während die restlichen Zellen restlos trocken waren.
    Die Batterien stehen in einen abgeschlossenen, aber nicht völlig luftdicht abgetrennten Innenraum mit Entlüftung nach außen. Resultat des "Auskochens" war ein ätzender Gestank im gesamten Innenraum. der sich auch nach Monaten noch nicht verflüchtigt hat. Weitere Folgeschäden sind stark korridierte (schwarze) Kupferleitungen, unansehliches Messing und völlig verfärbte Kabel (ursprünglich weiß, gelb, rot etc, jetzt einheitlich dunkelbraun) und PVC-Verkleidungen. Selbst das Chrom der Wasserhähne wurde stark angegriffen (ist auch schwarz). ;( X(
    Frage daher: Welche Gase entstehen beim Überladen einer Bleibatterie, die einen derartigen Schaden anrichten können? P.S. Der Geruch erinnerte nicht an faule Eier, also sollte imho Schwefelwasserstoff ausscheiden, oder? ?(
    Wäre für alle sachdienlichen Hinweise sehr dankbar. Was kann man gegen solche "Pannen" tun, wenn man nicht jede Woche nach dem Rechten sehen kann? :?:


    Liebe Grüße aus dem Süden der Republik.
    Klaus-Peter

  • Hallo,


    bei der elektrolytischen Zersetzung von Wasser entstehen Waserstoff und Sauerstoff, die hier vermutlich das geringste Problem darstellen. Wenn Bleiakkuzellen mit flüssigem Elektrolyten heftig gasen, wird jedoch ein Schwefelsäureaerosol durch die Zellenentlüftung in die Umgebung geblasen, welches dann zu den beschriebenen Korrosionserscheinungen führt. Im normalen Betrieb ist das nicht der Fall, sehr wohl aber bei starker Überladung.


    Zellenkurzschlüsse entstehen vorwiegend durch zu große Entladetiefe und bei ungeeigneten Akkutypen. Ein typisches Beispiel ist eine Starterbatterie, die zyklisch "missbraucht" und/oder (zu) tief entladen wird. Eine Zelle ist immer als erste leer und wird dabei beschädigt. Die Platten "wachsen" bei der Entladung, weil das Entladeprodukt Bleisulfat deutlich mehr Volumen benötigt als die Ausgangsmaterialien Blei und Bleidioxid. Dieses Plattenwachstum führt bei zu tiefer Entladung zu mechanischen Schäden an den Separatoren, so daß es zum Zellenkurzschluss kommt.


    Bleisulfat ist in Schwefelsäure nicht löslich, aber in Wasser! Bei zunehmender Entladung eines Bleiakkus verringert sich die Konzentration der als Elektrolyt eingesetzten Schwefelsäure, was die Löslichkeit des bei der Entladung vermehrt entstehenden Bleisulfats erleichtert. Bei der Aufladung fällt das zuvor im wässrigen Elektrolyten gelöste Bleisulfat dann leider oft an unglücklichen Stellen wieder aus (beispielsweise in den Glasvlies-Separatoren von AGM-Akkus) und bildet dort dann sogenannte Dendriten . Solche Dendriten führen zur erhöhten Selbstentladung von Akkuzellen. Darüber hinaus haben diese Denditen die Eigenschaft, von sich aus weiter zu wachsen. Die Selbstentaldung einzelner Zellen erhöht sich hierbei, wodurch sich ihr Ladezustand im Vergleich zum restlichen Zellenverbund immer weiter vermindert. Diese Zellen werden also immer schneller immer schlechter, bis bei der nächsten tiefen Entladung die schwächste Zelle dann die Hufe komplett hochklappt und kurzschließt.


    Was kann man gegen diesen Mechanismus machen?

    • Nicht tief entladen (keinesfalls tiefer als 20%!)
    • Nur zyklenfeste Akkus für zyklische Entladungen verwenden (Starterbatterien sind für zyklische Entladung denkbar ungeeignet)
    • Akku durch regelmäßige Vollladung pflegen

    Viele Grüße!


    Thomas Rücker

  • Ich hole mal diesen Artikel wieder hoch, weil man braucht ja nicht permanent neue Themen mit ähnlichem Inhalt starten. Dennoch ist die Frage dieser experimentellen Natur bißchen anders als vom Threadstarter. Also: Hatte kürzlich einen Prüfling der 90Ah-Klasse (12 V Varta Blue Nassbatterie mit Cacium-Silver Technologie) aus einer Garage gefischt, die da schon wer weiß wie lange ent- bzw. teilentladen gestanden hat. Ein erster Test mit dem Multimeter ergab 10,23 Volt und beim anklemmen ans Ladegerät floss auch sofort nennenswert Strom (um die 8 Ah waren es).


    Während des Ladens stieg die Stromaufnahme gemäß des "Spannungssack's" weiter an und endete bei 13,8 Ampere als höchster Wert. Nach rund zwei Stunden verringerte sich die Stromaufnahme wieder in Richtung 8 Ampere - jeweils bei 14,40 Volt Ladespannung. Nach weiteren 5 Stunden war der erste Energiehunger des Prüflings schon gestillt und dümpelte bei 1,3 Ampere (jetzt nur noch 13,20 Volt Ladespannung) rum. Diese niedrige Stromaufnahme sollte aber weiter vorhalten, denn selbst nach 12 weiteren Stunden flossen immer noch 0,5 Ampere Ladestrom. Bei 0,3 Ampere war dann das Ende bzw. der niedrigste Wert erreicht. Dieser Wert sollte rund weitere 36 Stunden anhalten. Gut, dachte ich mir, wenn die Batterie lange Zeit unter Selbstentladung leiden musste, was ja die ungünstigste weil langsamste Entladung ist - soll sie diese Zeit bekommen und lies sie weiter Strom nuckeln. Was soll bei so geringer Stromaufnahme schon passieren?


    Nur ist es ihr scheinbar selbst unter dieser niedrigen Ladespannung nicht bekommen. Nach dieser langen Zeit (am Victron-Automatiklader wohlgemerkt!) stieg die Stromaufnahme auf einmal wieder rasant an (auf ca. 5,5 Ampere bei immer noch 13,20 Volt), gleichzeitig nahm ich einen unguten Geruch wahr. Ob es nun faule Eier waren oder nicht weiß ich nicht - ich kenn den Geruch von faulen Eiern einfach nicht, habe ich nie wahrnehmen müssen. Habe die Batterie natürlich sofort abgeklemmt und gelüftet. Nach einiger Zeit mit dem Multimeter ran, welches dann unter 10,50 Volt anzeigte. Heute - rund 10 Tage später - bleiben stabile 10,34 Volt angezeigt. Nach Adam Ries ergibt das durch 4 den Wert von knapp 2,6 Volt, also vier volle Zellen. Also ist wahrscheinlich mindestens eine Zelle ausgestiegen - eine weitere war schon vorher defekt. Somit ein Fall für die Verwertung.


    Geht ihr mit diese Schlussfolgerung überein? Was ist die wahrscheinlichste Ursache für den offensichtlichen Zellenschluss? Mich überrascht das deswegen, weil die Batterie ja angesichts der Ladekurve "auf einem gutem Weg" schien?

    Jahr für Jahr werden noch gebrauchsfähige (Auto)-Batterien&Akkus unnötig aussortiert. Das muss nicht sein - einige davon sind noch verwendbar!

  • Das ist der häufigste Fall des Batterie-Todes, der besonders häufig nach einer zunächst erfolgreich anmutenden Wiederbelebung einer ziemlich verschlissener Batterie nach längerer Lagerung im (an)sulfutiertem Zustand entsteht: Zellenschluss. Ende!


    Drei Wirkmechanismen gibt es hierfür:


    1. Bei billigen Batterie ohne Taschenseparatoren reicht das Sediment von aus den Gitterplatten gefallenem Bleischlamm bis an die Unterseite der Gitterplatten und schließt die erste kurz.


    2. Durch wiederholte sehr starke Tiefentladungen haben die die Gitterplatten so stark ausgedehnt (Bleisulfat nimmt ein erheblich größeres Volumen ein als Blei und Bleidioxid), dass sich die Platten verbogen und die Separatoren perforiert haben. Meist ist dieser Defekt schon daran zu erkennen, dass das Batteriegehäuse seitlich "bauchig" ausformt.


    3. Bei starker Tiefentladung sinkt die Säuredichte so stark ab, dass Bleisulfat im Elektrolyt löslich wird. Wird die Batterie nun wieder geladen, fällt Blei in Form von Dendriten aus dem Elektrolyt aus und sinkt zu Boden. Besonders bei AGM-Akkus fällt jedoch auch Blei in Dendritenform im Glasvlies aus, was dort zu Kurzschlussbrücken zwischen positiven und negativen Platten führt.


    Alle drei Fälle führen zwangsläufig zum Batterietod. Beim Weiterladen mit mindestens einer kurzgeschlossenen Zelle entwickelt sich wegen der für die restlichen Zellen stark erhöhten Ladespannung eine besonders starke Gasentwicklung mit teils erheblicher Erwärmung, wobei Schwefeldioxidgas entsteht, das stark nach faulen Eiern riecht.


    Grüße, Tom

  • 3. Bei starker Tiefentladung sinkt die Säuredichte so stark ab, dass Bleisulfat im Elektrolyt löslich wird. Wird die Batterie nun wieder geladen, fällt Blei in Form von Dendriten aus dem Elektrolyt aus und sinkt zu Boden. Besonders bei AGM-Akkus fällt jedoch auch Blei in Dendritenform im Glasvlies aus, was dort zu Kurzschlussbrücken zwischen positiven und negativen Platten führt.

    Würde das im Wasser/Säuregemisch gelöste Bleisulfat bei Ladung nicht wieder an die Bleiplatte in Form von Blei wandern? Welcher Ladestrom wäre sinnvoll, um hier möglichst wenig Ausfällung zu produzieren - eher niedrig oder eher hoch? Oder "aufpeppeln mit dem Pulser vor Aufladen" ?

  • Würde das im Wasser/Säuregemisch gelöste Bleisulfat bei Ladung nicht wieder an die Bleiplatte in Form von Blei wandern? Welcher Ladestrom wäre sinnvoll, um hier möglichst wenig Ausfällung zu produzieren - eher niedrig oder eher hoch? Oder "aufpeppeln mit dem Pulser vor Aufladen" ?


    Bei der Ladung schon. Nur würde das Bleisulfat, welches vor der Ladung schon ausgefallen ist, von der nachfolgenden Ladung nicht mehr erreicht werden und dort liegen bleiben, wo es ist.


    Ob die Höhe und Art des Ladestroms hier Unterschiede bringt, weiß ich leider auch nicht. Rein überlegensmäßig fallen mir aber keine Gründe ein, die so etwas bewirken könnten.


    Grüße, Tom

  • Ah ok, danke. Ich hatte es so verstanden, dass Bleisulfat, welches sich im Elektrolyt gelöst hat, durch Laden dann Dendriten bildet und beim Laden dann ausfällt..


    Ja, das stimmt ja auch. Nur wandert frei gelöstes Bleisulfat beim Ausfallen vermutlich nicht zu irgendeiner Elektrode, weil es ja keine Ionen sind, sondern frei schwebende Teilchen. Man sollte also am besten verhindern, dass Bleisulfat überhaupt in Lösung geht. Hat es sich erst gelöst, hat man den Salat.


    Grüße, Tom

  • Ich hole mal diesen Artikel wieder hoch, weil man braucht ja nicht permanent neue Themen mit ähnlichem Inhalt starten. Dennoch ist die Frage dieser experimentellen Natur bißchen anders als vom Threadstarter. Also: Hatte kürzlich einen Prüfling der 90Ah-Klasse (12 V Varta Blue Nassbatterie mit Cacium-Silver Technologie) aus einer Garage gefischt, die da schon wer weiß wie lange ent- bzw. teilentladen gestanden hat. Ein erster Test mit dem Multimeter ergab 10,23 Volt und beim anklemmen ans Ladegerät floss auch sofort nennenswert Strom (um die 8 Ah waren es).


    Was ist die wahrscheinlichste Ursache für den offensichtlichen Zellenschluss? Mich überrascht das deswegen, weil die Batterie ja angesichts der Ladekurve "auf einem gutem Weg" schien?

    Ich nutze mal diesen eigenen Beitrag, um den "Thermal-Runaway" nochmal zu beleuchten bzw. zu hinterfragen: Im "Hochspannungsladung-Thread" ist diese Begrifflichkeit mehrfach erwähnt worden, insbesondere im Umgang mit starker oder niedriger Stromlieferung. Nun ist mir im Prinzip das gleiche wie oben beschrieben wiederholt passiert: Unbekannte 44 Ah Batterie die lange Zeit teilgeladen herumstand, nahm nennenswert Strom an und war am Ende der Ladung hinüber, da wie die Spannungsprüfung nach abklemmen ergab ingesamt drei Zellen während der Ladung das zeitliche gesegnet hatten (7,7 Volt Messwert). Infolge dessen wurden die übrigen Zellen massiv überladen, was zur Bildung von Schwefeldioxid und einer mehr als handwarmen Batterie (vermute mal so ca. 45-50 Grad als ich dazu kam) führte.


    Der Vorgang ist für mich insofern beachtlich, da ich die Batterie welche bei der ersten Prüfung ca. 10,5V Spannung zeigte zunächst nur rund 1,5 Stunden geladen wurde. In dieser Zeit flossen aufgrund der damals recht geringen Stromaufnahme (von 0,1 Ampere Tendenz mit den Minuten langsam steigend) insgesamt ca. 3 Ampere hinein. Als ich die Ladung ca. zwei-drei Stunden später fortgesetzt haben, wies die Batterie nach der eingangs erwähnten Anfangsladung bereits eine Ruhespannung von 12,18 Volt auf und bestand den Lastprüfungstest mit dem 100A-Tester, da die Spannung dabei nur geringfügig einbrach. Nach dieser Belastung (und der zwischenzeitlichen "Pause") war sie sehr stromhungrig und nahm beständig um die 5 Ampere, Tendenz steigend bis auf etwa 8 Ampere "Endstand" - auf.


    Da sich die Spannung und Stromaufnahme zuerst völlig normal entwickelten - kann man hier eigentlich davon ausgehen das hier der "Thermal-Runaway" der Batterie den Garaus gemacht hat? Oder sind "die üblichen Verdächtigen": Gitterbrüche, Separatorenschäden oder Zellenschlüsse von diesem Effekt unbeeinflusst?


    Welche Frage ich mir hier nun stelle: Wäre die Batterie eventuell noch zu retten gewesen, hätte ich diese Batterie mit dem Standschaden nicht direkt an ein Powerladegerät angeschlossen was der Batterie stets das gibt wonach sie verlangt sondern stattdessen schonend und langsam ein paar Tage mit dem Pulsar vorbehandelt?


    Grüße, Torsten

    Jahr für Jahr werden noch gebrauchsfähige (Auto)-Batterien&Akkus unnötig aussortiert. Das muss nicht sein - einige davon sind noch verwendbar!

  • Welche Frage ich mir hier nun stelle: Wäre die Batterie eventuell noch zu retten gewesen, hätte ich diese Batterie mit dem Standschaden nicht direkt an ein Powerladegerät angeschlossen was der Batterie stets das gibt wonach sie verlangt sondern stattdessen schonend und langsam ein paar Tage mit dem Pulsar vorbehandelt?

    Wahrscheinlich nur in dem Fall, wenn Du gar nicht vorgehabt hast, die Batterie jemals richtig hart ranzunehmen. Ich erkläre mir diese Fälle plötzlicher Zellenzusammenbrüche mit Zellenkurzschlüssen am Ende durch erhebliche Veränderungen der Materialverteilung: Was willst Du machen, wenn größere Mengen Aktivmaterial aus den Gittern fällt und weiter unten zwischen Gitter und Taschenseparator hängen bleibt, sich dort bei nachfolgenden Ladungswechseln verfestigt und schließlich die Separatorwand mechanisch zerstört? Diese permanente Materialwanderung ist das eigentliche und lebensdauerbegrenzende Übel bei Bleiakkus. Wird die positive Elektrode durch mechanische Tricks wie einsperren in Glasfaserröhrchen "gebändigt", kann ein Bleiakku tatsächlich zyklenfest werden. Nur der Innenwiderstand.... =O Will man den nicht haben, bleiben nur Gitterplatten und die sind nun mal nicht zyklenfest und führen genau zu den Problemen, von denen Du berichtest. -|-


    Keine einzige der Batterien, die bei mir unter Zellenschlüssen (und den Folgen wie eben auch starker Gasung und Gestank nach faulen Eiern beim Laden) litten, hat je wieder normal gearbeitet. Schrott ist und bleibt nun mal Schrott.


    Grüße, Tom

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